Gedanken zum 14.Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C – 2019
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter – so haben wir gerade im Evangelium gehört. Anders formuliert heißt das: es ist wahnsinnig viel zu tun, und wir schaffen das alleine nicht mehr wirklich.
Wann ist Ihnen das letzte Mal alles zu viel geworden, wann haben Sie sich gedacht „da habe ich mir zuviel aufgehalst“ oder „das überfordert mich“ oder gar „das schaffe ich jetzt nicht mehr“? Das kann beruflich gewesen sein oder privat. Beispiele fallen uns da gerade sicher viele ein: die Pflege eines kranken Familienmitglieds, Herausforderungen mit den Kindern, ungeplante Stresssituationen im Beruf in Projekten oder bei Entscheidungen, die zu treffen sind. Und vieles andere mehr. Und plötzlich stehen wir da und müssen uns eingestehen, wir sind nicht nur an unseren Grenzen angelangt, sondern wir haben diese vielleicht sogar bereits überschritten. Und dann wird es ungesund. Die Arbeit ist viel, aber es gibt zuwenig Arbeiter!
Ganz genau gleich war es zur Zeit Jesu in der Phase seines Wirkens über die wir nicht nur heute, sondern ja schon an den letzten Sonntagen im Juni im Evangelium gehört haben. Genau ein Kapitel vor unserem Evangelienabschnitt von heute lesen wir, dass Jesus bereits „die Zwölf“ ausgesandt hat. Die Apostel. Sie sollen sein Kommen vorbereiten. Und er merkt jetzt, dass die Zwölf das alleine nicht schaffen. Um mit den Worten der Lesung zu sprechen, die wir heute gehört haben: „das ist zu schwer für euch, alleine könnt ihr das nicht bewältigen“.
Was macht jetzt Jesus?
Er sendet einfach mehr Leute aus: 72 andere. Und die schickt er zu zweit aus; damit sie eben nicht allein sind auf weiter Flur – und nicht allein mit ihrem Auftrag, sondern einer den anderen stützen und ermutigen kann.
Ziemlich genau dasselbe Muster finden wir auch in der heutigen Lesung. Mose arbeitet buchstäblich bis zum Umfallen – er merkt es aber selbst offenbar gar nicht. Jitro sein Schwiegervater konfrontiert ihn beinhart damit, indem er ihn fragt „Was soll das eigentlich?“ „Was machst du da?“ Salopp formuliert, sagt Jitro zu Mose „Sag, bist du ein bisserl verrückt, wieviel du arbeitest?“. Das ist nicht richtig, wie du das machst – so richtest du dich selbst zugrunde und auch die Menschen für die du arbeitest – das ist zu schwer für dich, alleine kannst du es nicht bewältigen“
Eine starke Botschaft und eine ganz klare Anweisung, die wir da im Alten Testament im Buch Exodus hören und die identisch ist mit der Botschaft und Anweisung, die wir im Lukas-Evangelium gehört haben.
- Auf den Punkt gebracht heißt es: gib Verantwortung ab – ent-laste dich – lass auch andere Arbeit mittragen und Verantwortung übernehmen.
Das ist doch ganz einfach, oder?
Ich höre schon die skeptischen und kritischen Stimmen, die sich regen und die jetzt gleich sagen: Naja, in der Theorie klingt das einfach, aber in der Praxis geht das nicht, denn wer garantiert mir denn, dass andere meine Arbeit und meine Verantwortung genauso gut und genauso verlässlich übernehmen können, wie ich das tue? Ja können die das überhaupt? Und dürfen sie das überhaupt? Frei nach dem Motto „Vertraue niemandem außer dir selbst“. Und außerdem: „ich müsste die Menschen, denen ich Arbeit abgebe, ja erst einschulen, ihnen alles erklären, dann muss ich prüfen, ob sie es auch richtig machen und alles passt ich muss alles kontrollieren und checken. Das ist so aufwändig, da mache ich es doch lieber gleich selber und alleine weiter, auch wenn es in Summe ein bisserl viel ist.
Gedanken und Fragen, die wir heute stellen würden. Aber Jesus stellt diese Fragen nicht. Sondern er sendet die 72 aus, gibt ihnen ganz viele Freiheiten in ihrer Arbeit – und sie bekommen genau denselben Auftrag wie wir es bei der Aussendung der Zwölf ein Kapitel vorher gehört haben: Kranke heilen und das Reich Gottes verkünden. Nichts anderes, denn für Jesus sie sind keine „Boten zweiter Klasse“, sondern er traut ihnen dasselbe zu wie den Zwölf.
Und ich glaube, genau das ist der Schlüssel – auch der Schlüssel für uns. Vertrauen. Jesus vertraut den 72, dass sie das gut machen werden – auch wenn sie es sicher anders machen werden als die 12 Apostel. In Vertrauen steckt das „sich etwas trauen“ drinnen, also der Mut. Wir sind aufgefordert immer wieder den Mut zu haben, etwas loszulassen, etwas abzugeben und es anderen – wenigstens teilweise – anzuvertrauen. Im Englischen heißt loslassen „letting go“, ich finde das bringt es nocheinmal besser und treffender auf den Punkt (es geht darum etwas weitergehen – woanders hingehen zu lassen). Das ist nicht nur für uns selber gut, sondern auch für die Menschen für die wir sorgen, für die wir arbeiten, für die wir da sind.
Gott ist ein Gott des Lebens, er will für uns ein Leben in Fülle und er schaut auf uns, dass wir uns nicht überfordern
Im Sommer haben wir oft ein wenig mehr Zeit um selbst auf uns zu schauen und so möchte ich Ihnen für die kommenden Wochen drei Fragen mit auf den Weg geben. Vielleicht sind sie ja hilfreich …
- In welchen Situationen und Bereichen meines Lebens sagt Gott zu mir „Das ist zu schwer für dich, alleine kannst du das nicht bewältigen, pass auf, dass du dich und andere nicht zugrunde richtest?
- Wo möchte ich mich entlasten und auch andere Mit-Verantwortung tragen lassen?
- Wen von den Menschen, mit denen ich lebe oder arbeite – privat oder beruflich – würde es gut tun, mehr Mit-Verantwortung zu übernehmen?
(c) Dr. Alexander Kaiser