Gedanken zu Allerheiligen am 1. November 2024

Nov 18, 2024

Gedanken zu Allerheiligen 2024

Stellen Sie sich vor, wir gehen gemeinsam hinaus auf die Straße und machen eine Befragung über den heutigen Feiertag …

Dabei treffen wir eine Gruppe von Passanten und fragen sie: „Heute ist Allerheiligen, ein Feiertag, was feiern wir da eigentlich?“. Die Gruppe schaut uns fragend an – „Allerheiligen? Keine Ahnung … aber es ist uns eh egal, Hauptsache wir haben einen freien Tag“. Jemand aus der Gruppe meint noch – „Halloween haben wir doch gestern gefeiert – wahrscheinlich wurde das Halloween-Fest auf heute ausgedehnt“ Wir wollen der Gruppe gerade noch erklären, dass Halloween ein reines Kommerzfest der Wirtschaft ist und mit Allerheiligen nix zu tun hat – doch die Menschen rufen uns nur noch ein fröhliches „Süßes oder Saures?“ zu und ziehen schon weiter. Wir treffen eine andere Gruppe von Menschen und wieder fragen wir sie, was wir denn heute am Allerheiligentag denn eigentlich feiern? Sofort kommt die Antwort „Wir denken heute an unsere Verstorbenen und darum sind wir gerade unterwegs zum Friedhof“. Freundlich aber doch bestimmt merken wir an, dass das erst das zentrale Thema am Allerseelen-Tag also morgen ist, dass wir heute aber ja Allerheiligen feiern.

Szenenwechsel – wir sind in einer Schulklasse, Mitten in Wien. Einige wenige Kinder besuchen noch den katholischen Religionsunterricht. Die Religionslehrerin gestaltet eine Stunde zum Fest Allerheiligen und bittet die Kinder am Beginn ihr einen Heiligen zu nennen, von dem sie schon einmal gehört haben. Zwei Kinder zeigen sofort auf und sind sich sicher, eine gute und richtige Antwort zu geben. „Osterhase – sagen sie wie aus der Pistole geschossen“ – das ist ihr Beispiel für einen Heiligen. Ein anderes Kind führt den Weihnachtsmann als Vertreter eines Heiligen als Beispiel an …

Etwas ernüchtert kehren wir von unserer Umfrage und unserer Feldstudie zum Fest Allerheiligen wieder zurück und stellen fest, dass es offenbar in unserer stark säkularen Gesellschaft gar nicht so leicht ist, etwas mit dem Fest Allerheiligen anzufangen.  – übrigens die Szene aus der Schule ist nicht erfunden, und hat sich tatsächlich so abgespielt.

Aber was feiern wir denn dann eigentlich wirklich zu Allerheiligen? Um was geht es da?

Ich glaube, die allermeisten von uns haben wahrscheinlich noch ein sehr überhöhtes und herausragendes Bild eines oder einer Heiligen. Jemand der das ganze Leben lang unglaubliches geleistet hat, untadelig und perfekt gelebt hat, ja vielleicht sogar sein Leben hingegeben hat. Schauen wir uns aber die Biographien der vielen Heiligen an, dann sehen wir rasch, dass das so gar nicht stimmt. Da erfahren wir von dramatischen Umkehrsituationen, von massiven Zweifeln und auch von Episoden, die ganz und gar nicht heilig – wenigstens in unserem Verständnis – waren. Man kann also sagen – Heilige sind ganz normale Menschen, Menschen wie du und ich. Und doch zeichnet sie etwas aus. Was ist es, das sie heilig macht?

Im Wort Heilig steckt der Begriff heil, also „heil sein“ drinnen. Etwas ist dann heil, wenn es nicht getrennt ist, sondern ganz ist. Heilung und heilig sein heißt dann also ganz werden und ganz sein – Ganz der Mensch sein, als den mich Gott geschaffen hat, als den mich Gott gedacht hat und gewollt hat. Heilig bin ich dann, wenn ich ganz der Mensch bin als der ich als ein Ebenbild Gottes in dieser Welt agieren kann – und als Ebenbilder Gottes in dieser Welt zu wirken, dazu sind wir ja alle berufen. Biblisch gesehen geht es bei Heiligen um Menschen, die nach dem Heil, nach Glück, nach „Fülle des Lebens“ (Joh.10,10) streben und es auch auf ihre Weise erreichen.

Wir feiern also heute das Fest der Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, ganz zu werden und die diesen Weg der Heil-Werdung und der Ganz-Werdung oftmals auch gegen Widerstände gegangen sind, Menschen, die nicht bei der 1. Herausforderung gleich aufgegeben haben. Wir denken an all die Menschen, die auf diesem Weg der Heil-Werdung oft nicht dem Mainstream gefolgt sind, dem „was „man“ so zu tun hat“, sondern vielmehr ihrer Einzigartigkeit und ihrer inneren Stimme, ja ihrer Berufung gefolgt sind. Und darin können sie uns tatsächlich nicht nur ein Vorbild sein, sondern auch ein Ansporn sein. Denn wir alle, die wir hier sitzen und stehen, wir alle sind ja auch noch unterwegs und wir alle haben genauso noch die Möglichkeit heil und ganz zu werden, eben ganz der Mensch zu werden, als den Gott dich und mich gedacht hat. Wir alle haben also in diesem Sinn noch eine gute Möglichkeit und eine riesengroße Chance J auch heilig zu werden.

Matthew Kelly ein amerikanischer Theologe hat einen – wie ich finde – sehr schönen Begriff geprägt und eingeführt. Er meint, wir Menschen sind unterwegs um die beste Version von uns selbst schrittweise zu entdecken und diese beste Version von uns auch zu leben. Man könnte es auch anders formulieren: wenn ich die beste Version meines Selbst erreiche, dann bin ich ganz und heil, dann bin ich im umfassenden Sinn des Wortes auch heilig. Freilich, das geht nicht von heute auf morgen, das ist ein Prozess und ein Werden und das war bei den Heiligen, die uns heute am Fest von Allerheiligen prominent einfallen, ja auch nicht anders.

Ich möchte Sie zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen: Stellen Sie sich eine Skala vor, die von Null bis Zehn geht. Zehn heißt auf dieser Skala „Ich lebe bereits sehr gut die beste Version meiner Selbst, die Version von mir, als die mich Gott geschaffen, gedacht und berufen hat. Ich bin ganz der Alexander / ganz die Elisabeth / ganz der Ernst / ganz die Claudia / … der/die ich sein kann“ Und Null heißt auf dieser Skala „Ich bin noch sehr weit weg von dem was mich heil und ganz sein lässt“. Wo auf dieser Skala würden Sie sich gerade in ihrem Leben und Alltag einordnen? Oder anders formuliert: wie heilig bist du schon J ?

Gott will für jeden und jede von uns ein Leben in Fülle, er will, dass es dir und mir gut geht, gut geht in dem wir der Mensch sind und als der Mensch leben, als der er uns geschaffen und gedacht hat. Als ganze und heile Menschen und damit eben auch als Heilige.

In einem bekannten rhythmischen Lied heißt es im Refrain „Ich singe für die Mutigen, die ihren Weg suchen, die das zurücklassen, was sie gefangen hält. Ich singe für die Vertrauenden, die Gottes Ruf hören, die auch ins Ungewisse geh’n mit ihm.“ Und in einer der Strophen dieses Liedes heißt es: „Ich bitte Gott für sie, dass sie nicht vom Weg abweichen, dass sie nicht den Halt verlieren, das bitte ich Gott“.

Was können wir vom heutigen Allerheiligenfest für uns in den Alltag mitnehmen?

  • Heilige – im wahren Sinn des Wortes – können wir alle werden und wir sind gerade alle am Weg dazu unterwegs
  • Wir haben es in unserer eigenen Hand, auf dem Weg zu unserer ganz persönlichen Heiligkeit voran zu kommen und unserer besten Version näher zu kommen. Dazu können uns die vielen „bekannten“ Heiligen Ansporn sein und Mut machen.

–> Was ist es gerade in deinem Leben, was dich näher zu dir hinführt und dich so ein Stückchen heiliger macht? Und was ist es, was dich von dir wegführt?

(c) Alexander Kaiser