Gedanken zum 18. Sonntag im Jahreskreis (C) 2025
Bibelstellen:
Lesung Num, 21,4-9
Lesung aus dem Buch Numeri:
In jenen Tagen brachen die Israeliten vom Berg Hor auf
und schlugen die Richtung zum Roten Meer ein, um Edom zu umgehen.
Das Volk aber verlor auf dem Weg die Geduld, es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt?
Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser
und es ekelt uns vor dieser elenden Nahrung.
Da schickte der Herr Feuerschlangen unter das Volk.
Sie bissen das Volk und viel Volk aus Israel starb.
Da kam das Volk zu Mose und sagte: Wir haben gesündigt,
denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt.
Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit!
Da betete Mose für das Volk.
Der Herr sprach zu Mose:
Mach dir eine Feuerschlange und häng sie an einer Stange auf!
Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht.
Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Stange auf.
Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.
Evangelium Joh 3, 13-17
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodémus:
Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.
Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab,
damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Gedanken
Vor 10 Tagen hat mich – diesmal etwas kurzfristiger als sonst – P.Lorenz angefragt, ob ich den Gottesdienst für diesen Sonntag übernehmen und halten könnte. Ich habe in meinem Kalender nachgeschaut und gesehen, dass ich in Wien bin und habe P. Lorenz sofort zugesagt, auch deshalb, weil ich das Feiern der Wortgottesdienste immer sehr gerne gemacht habe. Erst Tage später habe ich dann bemerkt, dass diesmal ja nicht der normale Sonntag an der Reihe ist, sondern das Fest der Kreuzerhöhung. Jetzt bin ich da gestanden und konnte nicht mehr zurück und war gewissermaßen gezwungen mich mit dem Thema Kreuz auseinanderzusetzen. Freiwillig macht man das ja vielleicht gar nicht so leicht. Aber warum eigentlich?
In unserem alltäglichen Sprachgebrauch verwenden wir das Kreuz ja immer wieder. Wir kennen Ausdrücke wie „Mit dir ist es ein Kreuz!“ oder „sein Kreuz tragen“ oder „ein schweres Kreuz tragen“ oder auch „mit jemandem über Kreuz sein“ oder „da liegt ja alles kreuz und quer durcheinander“ … all das hat einen doch recht negativen Geschmack und verwendet das Kreuz immer als Metapher für eine Last, für etwas Beschwerliches. Von der Idee, dass das Kreuz erhöhen kann, also etwas oder jemanden entwickeln kann, ist in all diesen Redewendungen nichts zu spüren.
Eigentlich ist das Kreuz in seiner ursprünglichen Form nichts anderes als ein grausames Folterinstrument, das sich aber – fast paradoxerweise – erstaunlich gut als Halsschmuck verkauft. Ja und für viele ist das Kreuz als Symbol wohl auch eine Provokation – denken Sie nur an die seit Jahren laufende Diskussionen in unserem Land, die darauf abzielen das Kreuz etwa aus unseren Schulen zu verbannen.
Heute feiern wir das Fest der Kreuzerhöhung. Was bedeutet das für uns?
Kennen Sie Situationen in ihrem Leben, wo sie gesagt und gespürt haben, es geht nichts mehr, ich kann nicht mehr, ich schaffe das nicht mehr? Vielleicht waren das Situationen großer Belastung oder Überlastung. Vielleicht waren es Schicksalsschläge oder unvorhergesehene Herausforderungen, die sie an ihre Grenzen gebracht haben. Typischerweise ist die Körperhaltung, die wir mit solchen Situationen verbinden, eine nach unten geneigte, zum Boden gerichtete, eine niedergebückte, ein Blick nach unten. Was da – schon rein körperlich – hilft, ist eine neue Perspektive und Ausrichtung zu bekommen, etwas was uns wieder aufrichtet und unseren Blick nach vorne und nach oben lenkt – uns also erhöht. Genau das haben wir auch in der Geschichte in der Lesung gehört, die zugegebenermaßen für unsere Ohren etwas seltsam klingen mag.
Das Volk Israel ist erschöpft, es ist enttäuscht, es kann nicht mehr, es ist – so würden wir wohl sagen – fix und fertig – und es beginnt bereits zu murren und alles in Frage zu stellen. Was geschieht dann? Mose hängt eine Schlange aus Kupfer an eine Fahnenstange. Er holt damit die Menschen aus ihrer Niedergeschlagenheit und lenkt den Blick auf etwas, wohin sie aufblicken können. Die Menschen richten sich auf beim Aufblicken und gewinnen einen neuen Orientierungspunkt, eine neue Perspektive. Es hat sich etwas geändert und das macht sofort einen deutlichen Unterschied. Eine Transformation ist geschehen.
Im Evangelium setzt Jesus im Gespräch mit Nikodemus diesen Gedanken fort. Der Menschensohn wird erhöht, damit wir aufschauen können, damit wir uns aufrichten können und wir uns nicht von der Last niederdrücken lassen und verzweifeln müssen. Hier geht es wesentlich um Verwandlung, um Transformation: Wir können wohin blicken und aufschauen – und werden aus diesem Blick heraus verändert. Und theologisch wissen wir – als zentralen Punkt unseres Glaubens – dass das Kreuz nicht der Endpunkt ist, sondern Durchgang: In der Auferstehung zeigt sich, dass Jesus der Christus ist — und wir werden verwandelt, werden transformiert.
Ich lade sie ein, zu Hause einmal auszuprobieren, welchen Unterschied es für Sie macht, wenn Sie hinunterschauen und sich hinunter neigen und der Blick zum Boden gerichtet ist – und wenn sie dann, gleich darauf den Blick hinauf richten und so ihren Körper aufrichten – so gut ihnen das eben möglich ist. Einfach ausprobieren und den Unterschied wahrnehmen.
Gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland arbeite ich seit einiger Zeit beruflich am Konzept des Spirituellen Wissensmanagements. Nein, keine Angst ich missbrauche die Predigt jetzt nicht um eine Vorlesung gschwind unterzubringen – aber ich denke, dass es da eine schöne Brücke zum dem gibt, was wir heute beim Fest der Kreuzerhöhung in den Blick nehmen wollen – nämlich die Transformation und das Aufrichten und Erhöhen.
Im Spirituellen Wissensmanagement entwickeln wir Methoden, die Menschen – und auch Organisationen – dabei unterstützen, zu entdecken und zu lernen, wer sie wirklich sind und sein können. Also gleichsam den Entwicklungs- und Lernprozess vom gegenwärtigen Menschen hin zur besten Version von uns selbst zu unterstützen, hin zu dem Menschen, der wir sein können, hin zu dem Menschen, als der wir von Gott gedacht sind.
Naja, das ist gar nicht so ein triviales Thema, vor allem dann, wenn man das an einer Wirtschaftsuniversität bearbeitet. Aber letztlich, geht es eben um Transformation und um den Prozess entlang dieser Transformation. Und was wir in unseren Arbeiten gesehen haben ist, dass es – damit Transformation, damit Veränderung überhaupt möglich ist, etwas auf diesem Weg etwas, das trägt und uns Orientierung und Sicherheit gibt. In all der Veränderung eben auch etwas Beständiges und Konstantes. So etwas wie eine kleine Struktur – wie ein Stiegengeländer, an dem wir uns bei Bedarf festhalten können.
Aber noch viel besser als ein Stiegengeländer kann das Kreuz für uns Christen etwas sein, das trägt und Halt gibt und dass uns gleichzeitig auch symbolisch unterstützen kann – fast so wie ein „spirituelles Interface“.
Das Kreuz hat vier Richtungen und gibt uns damit vier Anhaltspunkte für unser Leben mit:
1. **Nach oben**: Was zieht mich und Wo zieht es mich hin? Was lässt mich über mich hinauswachsen und entwickeln (egal wie alt ich schon oder erst bin). Was lässt mich aufleben und – bildlich gesprochen – nach oben streben?
2. **Nach unten**: Was sind meine Wurzeln? Was gibt mir Halt in der Tiefe und trägt mich auch im Sturm? Was gibt mir Standfestigkeit?
3. **Nach links**: Ich schaue zurück in meine Vergangenheit. Was habe ich alles gelernt? Welche Geschichten, Traditionen, Erfahrungen prägen mich? Wofür bin ich in meinem Leben dankbar?
4. **Nach rechts**: Ich schaue nach vor in meine Zukunft. Wenn ich von der Zukunft her auf mich schaue – wer bin ich in meiner besten Version meiner selbst?
Was möchte ich weitergegeben haben?
So gesehen, kann uns das Kreuz tragen, nicht nur als ein Zeichen unseres Glaubens, sondern auch als ein spirituelles System von Wissen, Sinn und Beziehung.
Ich glaube, das Fest der Kreuzerhöhung ladet uns ein, das Kreuz nicht als Last, sondern als Einladung und als Ermutigung und Zusage zu feiern:
• Du bist getragen.
• Dein Leben ist Teil von etwas Größerem.
• Und du darfst deinen ganz persönlichen Weg der Transformation gehen und so wachsen.
Denn dieses Kreuz trägt. Und manchmal ist das das größte Wissen, das wir haben können.
(c) Alexander Kaiser
