Gedanken über Ba und Ma … Räume schaffen und unsere Gottesbeziehung

In meiner Tätigkeit als Wissenschafter an der Wirtschaftsuniversität in Wien ist mein Hauptforschungs- und Arbeitsgebiet das Wissensmanagement oder genauer gesagt das wissensbasierte Management. Im Wissensmanagement gibt es eine Vielzahl ganz verschiedener Methoden, Vorgehensweisen und Ideen, von ganz unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründen beeinflusst.

Seit meinem Besuch an einer japanischen Universität in Tokio vor einigen Jahren (Japan gilt als das Mutterland des modernen Wissensmanagements), fasziniert mich ein Konzept, das aus der japanischen Kultur und Tradition kommt: Das Ba-Konzept.

Ba ist ein japanisches Wort, für das es eigentlich keine direkte 1:1 Übersetzung ins Deutsche gibt. Am besten kann man Ba mit Raum, Feld oder Ort beschreiben und übersetzen.

Im modernen Wissensmanagement geht es darum, einen Ba – also einen Raum, einen Ort, ein Feld – zu schaffen, in dem es möglich ist, dass neues Wissen entsteht, oder bestehendes Wissen wieder entdeckt und neu verwendet werden kann. Beides, die Schaffung von neuem Wissen und die Verwendung von bestehendem Wissen, sind ganz wesentliche und essentielle Bedingungen dafür, dass ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Gemeinschaft auch in der Zukunft gut bestehen und sich entwickeln kann.

In einem guten Ba stimmt das Umfeld, die Atmosphäre, es fließt Energie und es spannt sich ein Raum und ein Rahmen, in dem Menschen miteinander etwas weiterbringen. Warum erzähle ich Ihnen das alles?

Ich glaube, dass vieles aus dem Wissensmanagement und vom Ba -Konzept auch für uns ganz persönlich auch auf einer spirituellen Ebene sehr wertvoll sein kann:

Ba steht also für den Raum, um Wissen zu erzeugen oder so umzuwandeln, dass ich es gut einsetzen kann. Auch in unserem Leben geht es immer wieder aufs Neue darum, neues Wissen zu erzeugen. Das ist einerseits all das Fachwissen, Alltagswissen, Schulwissen, Spezialwissen, etc., das wir im Leben so brauchen. Andererseits – und ich denke fast wichtiger – ist das aber vor allem das Wissen um mich selbst und um meine  Beziehung zu Gott.

Welches Wissen lässt uns aufleben, uns entwickeln und wachsen?

Das Wissen (oder wenigstens eine Ahnung) darüber, was Gott von mir ganz konkret möchte, Wissen, was mein Weg und meine Aufgabe in dieser Welt sein soll, was meine ganz persönliche Berufung ist.

Wenn ich aber davon ausgehe, und das ist mein Gottesbild, dass Gott uneingeschränkt will, dass es mir gut geht, dass ich ein Leben in Fülle habe (Joh 10,10), dann geht es ganz konkret um das Wissen darüber, was ich brauche, Wissen darüber, was mir gut tut, was meine ganz wesentlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte sind.

Und dann können wir uns fragen, wie schaut unser Ba aus, wie ist unser Ba gestaltet, der einen Raum, der ein Feld aufmacht, in dem ich mich diesen Fragen stellen kann und so für mich ganz wesentliches Wissen erzeugen kann?

Es ist Wissen, das in einem Ba entsteht, der die Kommunikation mit mir selbst und damit mit Gott ermöglicht und unterstützt. Dieser Ba wird mir Klarheit und Orientierung geben, denn Wissen über das was, ich für ein Leben in Fülle brauche, Wissen über meinen Weg und meine Berufung klärt und lässt mich wachsen und entwickeln und ist bei Entscheidungen, die ich zu treffen habe (ob groß oder klein), ein wichtiger Maßstab.

Gerade hat der Advent begonnen, und eigentlich kann man den gesamten Advent als einen ganz besonderen Ba sehen, als einen Ba, um uns auf die Menschwerdung Gottes vorzubereiten. Die Zeit ist also günstig, im großen „Ba Advent“ unseren ganz persönlichen Ba einzurichten und zu pflegen.

  • Wie schaut Ihr Ba aus, in dem die Kommunikation mit ihrer inneren Stimme, mit Gott möglich wird?
  • Wie schaut Ihr Ba aus, in dem Sie Wissen darüber erzeugen können, was Ihnen gut tut, was für Sie  Leben in Fülle heißt, was ihre wesentlichen Bedürfnisse sind?
  • Was brauchen Sie dazu, um sich ihren Ba regelmäßig und immer wieder einrichten zu können?

Übrigens: als ich vor wenigen Wochen bei einer großen Veranstaltung an einer amerikanischen Universität in Boston war, habe ich dort das „Ma“-Konzept kennen gelernt. Ma steht für den Zwischenraum, also einen Raum zwischen zwei Begrenzungen oder zwei Dingen, etc. Und in so einem Zwischenraum, in so einer Ma, ist oftmals genau Nichts, Stille, Leere…

Über die Ma möchte ich gerne in einer späteren Kolumne einmal ein wenig mit Ihnen nachdenken. Aber mir wurde sehr rasch klar, um mit Gott eins zu werden, braucht es beides: Ba und Ma .

Für Gott sind wir so wertvoll, dass er mit uns eins sein will. Sein Angebot steht – greifen wir zu!

(c) Dr. Alexander Kaiser