Gedanken zum 4. Adventsonntag (C) am 22. Dezember 2024
Evangelium: LK 1,39-45
In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg
und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Und es geschah,
als Elisabet den Gruß Marias hörte,
hüpfte das Kind in ihrem Leib.
Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
und rief mit lauter Stimme:
Gesegnet bist du unter den Frauen
und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte,
hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Und selig,
die geglaubt hat, dass sich erfüllt,
was der Herr ihr sagen ließ.
Gedanken:
Sie kennen das wahrscheinlich, eine Begegnung mit einem Menschen, bei der Ihnen sprichwörtlich das Herz aufgeht. Eine Begegnung mit einem Menschen, wo Sie sich denken, ja, das tut mir gut. Da ist etwas in Schwingung gekommen, da ist etwas in Gang gekommen, als wir uns getroffen haben. Da ist etwas entstanden, als wir miteinander gesprochen haben, oder als wir einfach etwas Zeit miteinander verbracht haben. Das gibt es sicher in Ihrem Leben. Und wenn Sie ein wenig nachdenken, dann werden Ihnen solche Begegnungen vermutlich einfallen. Begegnungen mit Menschen, die Sie aufleben haben lassen. Begegnungen mit Menschen, wo Sie am Ende dieser Begegnung mit mehr Kraft, Freude und Energie weitergegangen sind als davor.
Freilich, ich bin mir sicher, dass Sie auch das Gegenteil kennen. Situationen oder Begegnungen mit Menschen, wo Sie viel mehr an Energie und Kraft verlieren, als Sie gewinnen. Begegnungen mit einem Menschen oder auch mit einer Gruppe von Menschen, wo Sie sagen, das macht mich fertig, das tut mir nicht gut. Das ist etwas, wo ich geschwächt wieder rausgehe.
Ich hatte vor gar nicht langer Zeit wieder einmal so eine Situation, ein Meeting mit verschiedenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wo ich mich bald gefragt habe, was mache ich hier eigentlich. Es ist schade um meine Zeit. Es nimmt mir Kraft oder, wie jemand einmal formuliert hat, das Meeting stiehlt mir im wahrsten Sinn des Wortes Lebens-Zeit. Es tut mir nicht gut.
Warum ist das so? Warum gibt es Begegnungen, die uns aufleben lassen und Begegnungen, die für uns ein wahrer Graus sind?
Was da – u.a. auch – dahinter steckt ist ein Phänomen das wir Resonanz nennen. Wir gehen zu jemandem oder auch zu etwas in Resonanz. Das kann ein Mensch sein, das kann die Natur sein, das kann eine Situation sein und diese Resonanz bewirkt etwas in mir, eben wie ein Resonanzbogen, wie ein Musikinstrument. Es bringt etwas zum Schwingen und das kann gut sein, das kann etwas Kraftvolles, etwas Energiegebendes sein und das kann auch etwas Energieentziehendes sein.
Wenn wir uns das heutige Evangelium anschauen, dann hören wir hier eine Geschichte, die wir alle sehr gut kennen, die wir aber vielleicht aus dieser Perspektive der Resonanz noch nie betrachtet haben.
Maria trifft ihre Cousine Elisabeth. Beide Frauen sind schwanger. Elisabeth ist bereits im sechsten Monat und dass sie schwanger ist, ist ein wahres Wunder und Maria ist gerade erst schwanger geworden. Dass sie schwanger ist, ist auch ein – noch größeres – Wunder. Und eigentlich, wenn man es sich genau überlegt, Elisabet konnte gar nicht wissen, dass Maria schwanger ist. Sie wusste es auch nicht, aber in der Begegnung, als sich diese beiden Frauen sehen, entsteht sofort etwas, was weit weg vom rationalen Denken und von unserer Logik ist. Die beiden Frauen fühlen sich miteinander verbunden und noch mehr, das ungeborene Kind im Bauch von Elisabeth (also Johannes) hüpft vor Freude, weil auch er etwas spürt, auch er in Resonanz geht mit Maria und dem ungeborenen Jesus.
Und obwohl Elisabeth nicht wissen konnte, dass Maria schwanger ist, kommt dann dieser Ausruf von Elisabet, wenn sie sagt „Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
Diese Begegnung hat also beiden Frauen und wohl auch den beiden noch ungeborenen Kindern gutgetan und durch diese Resonanz zwischen diesen vier Personen ist für jede und jeden dieser vier etwas entstanden. Sie sind ein Stückchen mehr der Mensch geworden, der sie sein sollen. Elisabeth drückt das ja auch mit ihren Worten aus, und Maria antwortet dann unmittelbar darauf mit dem berühmten Lobpreis, dem Magnificat, das auch ein ganz starkes und klares Bekenntnis von Maria ist, und eine Zustimmung zu ihrer Einzigartigkeit und ihrer Aufgabe.
Wenn wir auf unser eigenes Leben schauen, dann werden wir wahrscheinlich feststellen, dass mir Begegnungen, wo ich mit jemanden in gelungene Resonanz gehe, guttun, oftmals auch körperlich, jedenfalls aber seelisch.
Wann tut mir eine Begegnung gut?
Eine Begegnung tut mir dann gut, wenn ich durch diese Begegnung näher zu mir selbst komme, wenn ich mehr der Mensch werde, der ich sein kann. Und eine Begegnung tut mir dann nicht gut, wenn die Resonanz in dieser Begegnung zeigt, dass ich weg von mir selbst komme, weg von dem Menschen, der ich sein kann oder der ich sein soll. Warum ist das so? Weil wir in Begegnungen mit anderen Menschen ja letztendlich über die Resonanz mit dem in Kontakt kommen, was Gott in mir selber angelegt hat. Wenn wir mit dem in Kontakt kommen, was gleichsam göttlich in mir ist – oder wie es etwa Matthew Kelly formuliert – mit der besten Version von uns selbst, dann geht es uns gut und wir leben auf.
Hartmut Rosa, ein bekannter Soziologe, hat viel zum Thema Resonanz gearbeitet und er definiert – wie ich finde, sehr treffend: In gelungenen Resonanzmomenten stimmen das aktuelle Sein und das Sollen tendenziell überein – das gilt auch dann, wenn wir vom Sein, vielleicht völlig überrascht werden, so dass wir unsere Sollenslandkarte spontan neu justieren müssen.
Solche Resonanzmomente oder Resonanzbegegnungen helfen uns also, uns besser kennenzulernen – wer bin ich wirklich (so wie es Elisabet ja ausruft Wer bin ich?) und so auch ein Stück mehr der Mensch zu werden, der ich sein kann und soll. Martin Buber hat es so formuliert: Der Mensch wird erst am Du zum Ich und alles wirkliche Leben ist Begegnung. Und Friedrich Nietzsche sagte: „Mensch werde der, der du bist“.
Ein zweites noch, ist mir in dieser Geschichte der Begegnung von Maria und Elisabet aufgefallen. Maria besucht Elisabet und es steht wortwörtlich im Evangelium drinnen, „Maria eilte“. Sie ging nicht gemütlich zu ihr. Nein, sie eilte! Sie eilte also zur Cousine Elisabeth und nahm diesen beschwerlichen Weg über die Berge auf sich. Warum hatte sie es so eilig?
Wahrscheinlich hat sie selbst geahnt und schon gespürt, dass dieser Besuch bei Elisabet für sie sehr wichtig sein wird, dass er ihr guttun wird. Wenn ich merke, dass etwas sehr wichtig ist und ganz wesentlich für mich ist, dass – wie man im Wienerischen so schön sagt, „dass etwas pressiert“ – dann duldet es keinen Aufschub oder Verschiebung mehr, dann drängt es mich, gleichsam von innen heraus und dann muss das so schnell wie möglich stattfinden.
Wenn wir die beiden Gedanken verbinden, dann können wir sagen – Maria hatte es eilig in Beziehung und in Resonanz zu Elisabet zu treten um dadurch ein Stückchen mehr der Mensch zu werden, als der sie Gott auserwählt und bestimmt hat.
Ich denke, dass dieser Teil des heutigen Evangeliums für uns auch ein guter Hinweis ist, einmal innezuhalten und nachzudenken: Wo drängt es mich noch hin? Was eilt bei mir, das ich möglichst bald angehen möchte? Und nein, ich meine da jetzt nicht, die letzten noch zu erledigenden Weihnachtsbesorgungen, oder die vielleicht noch vergessenen Details für das Abendessen am Heiligen Abend … Es geht um das, wo ich selbst merke und spüre, das erlaubt keinen Aufschub mehr, da muss ich mich beeilen, weil ich weiß oder vermute, dass das wichtig für mich ist, dass es mir guttun wird. Das möchte ich also keinesfalls verpassen. Das kann etwas scheinbar Kleines sein, ein Gespräch mit einem Menschen, das kann etwas Großes sein, das kann eine Begegnung sein, das kann aber auch etwas sein, was ich für mich selber tun will, egal.
In 2 Tagen feiern wir die Mensch-Werdung Gottes und ich denke, dass das heutige Evangelium eine perfekte Vorbereitung darauf ist, geht es doch im Tiefsten ebenso um die Mensch-Werdung und gibt uns das Evangelium zwei für unser Leben und unseren Alltag wichtigen wichtige Botschaften mit.
- Die eine Botschaft: Gott will, dass wir der Mensch werden, der wir sein können, dass wir unserer Berufung, unserem Auftrag folgen. Wir können ganz wesentlich dazu beitragen, indem wir Begegnungen suchen, die uns näher zu uns selbst führen, und damit auch zu Gott führen, Begegnungen, die uns guttun und die uns wachsen lassen und indem wir Begegnungen möglichst meiden, die uns von uns selbst wegführen.
- Und das Zweite: wir dürfen innehalten und schauen, was eilt gerade in unserem Leben, was ist eilig zu tun, weil es wichtig und wesentlich ist und diesem Impuls dann auch nachgehen.
–> was eilt in deinem Leben gerade, das keinen Aufschub duldet?
–> auf welche Begegnung freust du dich schon, weil sie dich aufleben lassen wird?
(c) Alexander Kaiser