Gedanken zum 2. Sonntag der Osterzeit 2025
Evangelium: Joh 20, 19-31
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.
Am Abend dieses ersten Tages der Woche,
als die Jünger aus Furcht vor den Juden
bei verschlossenen Türen beisammen waren,
kam Jesus,
trat in ihre Mitte
und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten
zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat,
so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte,
hauchte er sie an
und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Denen ihr die Sünden erlasst,
denen sind sie erlassen;
denen ihr sie behaltet,
sind sie behalten.
Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf,
war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
Die anderen Jünger sagten zu ihm:
Wir haben den Herrn gesehen.
Er entgegnete ihnen:
Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe
und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel
und meine Hand nicht in seine Seite lege,
glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt
und Thomas war dabei.
Da kam Jesus bei verschlossenen Türen,
trat in ihre Mitte
und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas:
Streck deinen Finger hierher aus
und sieh meine Hände!
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite
und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete und sagte zu ihm:
Mein Herr und mein Gott!
Jesus sagte zu ihm:
Weil du mich gesehen hast, glaubst du.
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Noch viele andere Zeichen
hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan,
die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind.
Diese aber sind aufgeschrieben,
damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist,
der Sohn Gottes,
und damit ihr durch den Glauben
Leben habt in seinem Namen.
Gedanken
Gestern haben wir uns von Papst Franziskus verabschiedet und wahrscheinlich haben viele von Ihnen die bewegende Zeremonie in Rom über die Medien mitverfolgt und auch die beeindruckende und kraftvolle Predigt des 91-jährigen Kardinals Battista Re erlebt. So fit und so präsent und so inspirierend möchte ich gerne mit 91 Jahren auch noch sein …
In seiner allerersten Osterpredigt als Papst im Jahr 2013 hat Franziskus folgendes gesagt:
Geht es nicht auch uns so, wenn im täglichen Ablauf der Dinge etwas wirklich Neues geschieht? Wir halten inne, verstehen nicht, wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Das Neue macht uns häufig Angst, auch das Neue, was Gott uns bringt, das Neue, das Gott von uns verlangt.
Wir sind wie die Apostel aus dem Evangelium: Oft ziehen wir es vor, unsere Sicherheiten beizubehalten, bei einem Grab stehenzubleiben … Wir haben Angst vor den Überraschungen Gottes; liebe Brüder und Schwestern, in unserem Leben haben wir Angst vor den Überraschungen Gottes! Er überrascht uns immer! So ist der Herr.
Die Angst vor dem Neuen. Die Angst vor Veränderung!
Wenn wir auf das heutige Evangelium schauen, dann muss man schon sagen, also wirklich befreit und fröhlich sind die Apostel ja nicht gerade. Wir singen hier freudig das Oster-Halleluja, haben vor 8 Tagen die Auferstehung gefeiert und danach bis spät in die Nacht gemeinsam gegessen und getrunken und gefeiert und die Apostel selbst, die ja bereits wissen, dass Jesus auferstanden ist und lebt, die sitzen zusammen, haben sich eingesperrt und fürchten sich. Und irgendwie taucht in dieser Szenerie das Bild auf, dass diese Männer da völlig ratlos, verwirrt und doch auch noch immer traurig gemeinsam sitzen.
Ist das verständlich? Oder belächeln wir da die Apostel insgeheim, weil sie so angsthasenmäßig agieren?
Schauen wir doch einmal ein wenig zurück. Jesus ist vor seiner Kreuzigung etwa 3 Jahre lang öffentlich aufgetreten, hat gepredigt, gewirkt und ist herumgezogen. Ziemlich am Anfang dieser Zeit hat Jesus begonnen seine Jünger um sich zu sammeln und sie zu berufen, die Apostel selbst waren gut 2 Jahre lang mit ihm unterwegs. Davor waren die Apostel – die jetzt vor Angst zitternd hinter verschlossenen Türen sitzen – ja fest in ihrem Leben und Alltag verankert. Sie waren Fischer, Zöllner und Landwirte, d.h. alle hatten eine Aufgabe, einen Beruf – und alle haben diesen Beruf und diese Aufgabe dann aufgegeben um Jesus zu folgen, um mit ihm gemeinsam zu wirken und die Menschen zu begeistern. Die Apostel hatten eine neue Orientierung und Ausrichtung, eine neue Aufgabe einen neuen, faszinierenden Sinn in ihrem Leben und haben das alte hinter sich gelassen.
Mit der Kreuzigung Jesu und seinem Tod war das alles weg, die Apostel waren im wahrsten Sinn des Wortes orientierungs-los und aussichtslos und sie werden sich wohl gesagt haben, das war alles umsonst, dass wir unsere früheren Berufe unsere frühere berufliche Orientierung aufgegeben haben. Und ich denke in dieser Situation in dieser emotionalen Verfassung – Auferstehung hin oder her – haben sich die Apostel gemeinsam hinter verschlossenen Türen versammelt.
Sie kennen sich nicht mehr aus, sie sind – zurecht – verwirrt. Was ist los? Was soll das alles bedeuten? Wie soll es weitergehen? Was ist jetzt unser Auftrag, was ist unsere Aufgabe, unser Chef ist uns abhandengekommen, der, der uns immer gesagt hat, was wir tun sollen. Jetzt ist er zwar auferstanden, aber es ist schon seltsam alles und irgendwie total anders als früher. Im gewissen Sinn ist den Jüngern der Boden unter den Füßen weggezogen worden, das was ihnen Halt und Orientierung gegeben hat, ist nicht mehr so wie es war. Es ist alles anders, es ist alles neu.
Aber schauen wir doch einmal was dann im Evangelium, das wir heute gehört haben, passiert – ich glaube, das ist ganz entscheiden. Jesus tritt ein in den verschlossenen Raum und … er gibt ihnen eine neue Sendung, einen neuen Auftrag.
Jesus sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und er sagt ihnen auch, worin ihre Sendung besteht: Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.
Und was passiert? Die Jünger freuten sich als sie den Herrn sahen und ihre neue Sendung hören und empfangen. Aus der Angst und der Verzweiflung wurde Freude. Jesus hat ihnen eine neue Orientierung, einen neuen Auftrag, ja eine neue Perspektive gegeben. Er hat die Jünger gleichsam wieder auf ihre Füße gestellt. Und mir kommt da die Stelle aus dem Buch Ezechiel in den Sinn, wo es ja auch heißt „Mensch, stell dich auf deine Füße, ich sende dich“.
Ich denke man spürt im heutigen Evangelium förmlich wie wichtig es für Menschen ist, aufgerichtet zu werden, indem sie eine Sendung, eine Aufgabe und eine Orientierung zugesprochen bekommen.
Und Thomas, der da nicht dabei war, er hat das eben noch nicht erlebt, diese Sendung und dieses Ausgestattet werden mit einem neuen Auftrag – und ich finde aus dieser Sicht heraus, ist seine Reaktion, sein „Unglaube“ und im gewissen Sinn ja auch sein Grant und sein scheinbarer Widerstand völlig verständlich und nachvollziehbar. Thomas ist noch im Modus der Orientierungslosigkeit und Sinn-Losigkeit drinnen, weil er diese Beauftragung und Sendung verpasst hat.
Eine Aufgabe, eine Sendung, einen Sinn im Leben zu haben, ist unglaublich wichtig und ist eine Basis, die jeder Mensch braucht, um ein erfülltes Leben führen zu können – ganz unabhängig davon, wie alt er ist, in welchem gesundheitlichen Zustand er ist und welche Möglichkeiten er hat.
Aber noch etwas Zweites ist ganz auffällig in diesem Evangelium – und es ist nicht nur auffällig, sondern – so denke ich – auch wichtig. Jesus gibt den Aposteln eine Sendung, einen Auftrag, – aber – er gibt ihnen überhaupt keine konkreten Anweisungen wie, also in welcher Art und Weise, sie diese Sendung, diesen Auftrag erfüllen sollen.
Wie sollen die Apostel das Erlassen der Sünden bewerkstelligen? In welcher Art und Weise, in welcher Form? Wenn Sie so wollen, mit welcher „Technik“ und mit welchem „Ritus“? Also wir können eigentlich sagen, die Jünger wurden in ihrer Sendung ganz klar mit dem WAS ausgestattet. Das WIE allerdings, das bleibt ihnen überlassen.
Ich finde das bemerkenswert, denn etwas was unseren Glauben und unsere Spiritualität ganz stark kennzeichnet, kommt somit bereits hier sehr deutlich ins Spiel. Die Eigenverantwortung, die Freiheit, die persönlich individuelle Umsetzung. Unser Glaube ist eben keine „Kochbuch-Religion“ mit einer Vielzahl von zu erfüllenden Praktiken, wie das anderswo üblich sein mag und dann auch – auf eine doch recht simple und seltsame Art und Weise – praktiziert werden muss. Nein, Jesus stattet seine Jünger und Jüngerinnen, mit einer Würde als eigenverantwortliche Menschen aus, die auf Augenhöhe mit ihm agieren und leben und wirken sollen. Und genau dasselbe gilt natürlich auch für uns im Hier und Jetzt.
Die Apostel haben eine Sendung, einen Auftrag zugesagt bekommen und waren für die Umsetzung dieser Sendung selbst verantwortlich und zuständig. Sie waren auf diesem Weg und bei dieser Umsetzung aber gestärkt und gesegnet vom Heiligen Geist.
Wir, die wir im Jahr 2025 leben, haben auch eine Sendung und einen Auftrag – wir müssen ihn nur hören, und auch wir sind für die Umsetzung dieses Auftrags selbst verantwortlich und zuständig. Und auch wir sind auf diesem Weg gestärkt und gesegnet vom Heiligen Geist und von der Kraft des Auferstandenen.
Stellen Sie sich vor, der auferstandene Jesus kommt so wie damals durch verschlossene Türen zu den Aposteln, jetzt in diesem Augenblick zu uns hier ins Pallottihaus. Und er geht zu jeder und jedem von ihnen und gibt jedem und jeder einen ganz persönlichen Auftrag, eine ganz persönliche Sendung.
Was sagt Jesus zu dir? Und wie setzt du diese Sendung dann ganz individuell und persönlich um?
(c) Alexander Kaiser