Gedanken zum 1.Fastensonntag – Lesejahr A – 2017

Der Fasching war heuer ganz besonders lang – so einen langen Fasching gibt es erst wieder in zwei Jahren. Für manche von Ihnen war das vielleicht eine große Freude, viel Zeit für Bälle, Faschingsfeste usw. zu haben, andere von Ihnen sind vielleicht froh, dass die Faschingszeit nun endlich vorbei ist und kein „Zwang“ mehr zum organisierten Feiern und Lustigsein besteht.

Zu welcher der beiden Gruppen Sie sich auch immer zählen, nun hat die Fastenzeit begonnen und die Fastenzeit ist eine Zeit der Umkehr. Umkehr? Was ist das eigentlich für Sie? Was bedeutet Umkehr für Sie?

  • Manche Menschen gehen die Fastenzeit und die Umkehr in der Fastenzeit ganz pragmatisch an und sagen beispielsweise: „jetzt gibt es die nächsten 40 Tage keinen Alkohol – ich verzichte auf Alkohol“. Oder andere sagen, die nächsten Wochen gibt es für mich keine Schokolade und nix Süsses.

Umkehr in der Fastenzeit ist in dieser Denkweise dann also eng verbunden mit Verzicht. Und ja, oft ist dieser Verzicht von Dingen, die uns ohnehin manchmal gar nicht gut tun, ganz nützlich und hilfreich. Das passt schon, aber ist das wirklich der tiefste und eigentlichste Sinn von Umkehr?

Bei meinen beruflichen Aufenthalten in Amerika in den letzten Jahren bin ich zufällig auf einen christlichen Autor gestoßen, der im christlichen Bereich in den USA recht bekannt ist. Er heißt Matthew Kelly und hat eine Reihe von wirklich guten und empfehlenswerten Büchern geschrieben und einige sehr inspirierende Vorträge gehalten. Und Matthew Kelly prägt in seinen Büchern einen Begriff, der mich von Anfang an sehr fasziniert hat.

Er sagt, die Aufgabe jedes Menschen ist es, im Laufe seines Lebens die „best version of myself“ zu werden. Die „best version of myself“ – das gefällt mir sehr! Auf Deutsch könnten wir das übersetzen als „die beste Version von mir selber werden“. Oder etwas salopper gesagt, könnten wir übersetzen „ich selber in absoluter Höchstform“ – ich selber ganz nah der- oder diejenige zu sein, der oder die ich wirklich sein kann, als der ich von Gott gedacht und geschaffen wurde.

Wann waren Sie in ihrem bisherigen Leben der „best version of yourself“ schon einmal ganz nahe? Wann waren sie in absoluter Höchstform – und das ist jetzt gar nicht gemeint in Höchstform von Leistung, Kraft und Vitalität, sondern in Höchstform an Echtheit, an Originalität und an wirklich sie ganz selber sein.

Wenn es eine beste Version von mir selber gibt, eine best version of myself, nun dann gibt es offenbar auch weniger gute Versionen von mir selber. Versionen von mir selber in meinem Leben, wo ich nicht der- oder diejenige war oder bin, der ich sein kann, Versionen und Episoden in meinem Leben, wo ich nicht in Höchstform an Echtheit und Originalität bin.

Und genau da liegt der Reiz und der Charme dieses Konzepts der besten Version von einem selbst. Es ist ein dynamischer Ansatz, ein Weg der Entwicklung, wenn Sie so wollen, ein Lernprozess, ein Lernweg immer mehr und immer näher zu dieser besten Version von mir selber zu werden, diese beste Version von mir selber immer besser kennenzulernen, immer mehr darüber zu wissen, was es ist, das mich ausmacht, wer es eigentlich ist, als den Gott mich geschaffen und gedacht hat.

Und genau dazu passt – so denke ich – die Umkehr wieder sehr gut. Die Umkehr als Weg mehr und mehr hin zur best version of myself zu kommen.

Umkehr heißt dann also nicht zwingend „Verzicht“ (Alkohol, Spaß, Süßigkeiten), Umkehr heißt dann also sich etwas mehr dorthin zu kehren, sich etwas mehr dorthin zu wenden und sich etwas mehr dorthin zu orientieren, wo das Göttliche in mir ist, wo Gott in mir ist und nichts anderes kann diese beste version von mir selber sein. Und für diese „Neu-Orientierung“ oder Um-Orientierung“ ja da kann der Verzicht dann schon dann und wann ganz hilfreich sein, vielleicht ein Verzicht oder eine Reduktion von Internet, Handy, Facebook usw.

Gott will, dass wir die beste Version von uns selber werden. Es ist der Traum den Gott für jeden und jede von uns hat. Die beste Version von mir selber ist ganz eng verbunden mit dem von Gott uns verheißenen Leben in Fülle – Joh 10,10. Erfülltes Leben im Sinn von, der oder diejenige zu sein, der ich wirklich sein kann und die ich wirklich bin.

Und um diesen Traum auch wahr werden zu lassen, ruft uns Gott immer wieder in unserm Alltag. Manchmal hören wir ihn deutlicher, manchmal weniger gut (das liegt nicht an der Lautstärke Gottes Stimme, sondern an uns …). Dieses Rufen Gottes kann als Klang in 3 Stimmen beschrieben werden:

  1. Gott spricht zu uns durch unsere Sehnsüchte, Träume und Bedürfnisse: Was brauche ich um leben und aufleben zu können? Was will ich in meinem Leben aus tiefstem Herzen?
  2. Gott spricht zu uns durch unsere Stärken und Fähigkeiten, durch unsere Begabungen und Talente: Was kann ich?
  3. Gott spricht zu uns durch die Realität in unserem Alltag, durch den Rahmen und die Möglichkeiten, die gerade da sind: Was ist im hier und im heute auch möglich und machbar?

Wenn wir auf das heutige Evangelium schauen, auf die Versuchungen Jesu in der Wüste, dann ist diese berühmte Geschichte ein wunderschönes Beispiel dafür, wie Jesus der „best version of himself“ – der besten Version von sich selbst – sehr treu bleibt. Jesus widersteht hier jeder Verführung ein anderer zu werden, als der er sein soll. Wir könnten sagen, er widersteht ganz souverän jeder Versuchung, nur mehr ein müder Abklatsch seiner „besten Version“  zu sein und quasi als suboptimale Version durch die Welt so zu laufen, wie es andere wollen.

Und ich denke dieses Evangelium ist auch ein sehr schöner und hilfreicher Hinweis darauf, dass auch wir in unserem Alltag immer und immer wieder aufs Neue verführt werden, nicht wir selber zu sein, nicht die beste Version von mir selbst zu sein. Beispiele dafür fallen Ihnen sicher viele ein, denken Sie an die Werbung, denken Sie an gesellschaftliche Zwänge, an den man mit einem n „man tut das so“ usw.

Viktor Frankl der große österreichische Psychologe und Therapeut hat einmal gesagt Was der Mensch wirklich will, ist letzten Endes nicht das Glücklichsein, sondern ein Grund zum Glücklichsein. Dass es für jeden und jede von uns so eine „beste Version von mir selbst“ als Ausrichtung und Orientierung gibt, und dass wir diese beste Version von uns selber erreichen dürfen und können, das ist sicher so ein ganz, ganz starker Grund zum Glücklichsein.

Wir haben fast noch die kompletten 40 Tage der Fastenzeit vor uns. Fast noch 40 Tage Zeit uns auf den Weg der Umkehr zu machen, auf den Weg zu unserer je einzigarten best version of myself. Wie wäre es, wenn wir die Zeit bis Ostern zu nutzen um diesen Weg zu gehen um dann vielleicht zu Ostern, in der Osternacht oder am Ostermorgen feiern zu können, einen Schritt näher auf dem Lern- und Erkenntnisprozess zur besten Version von uns selbst zu sein …?

(c) Dr. Alexander Kaiser