Gedanken zum 14. Sonntag im Jahreskreis (B) am 7. Juli 2024 zum Thema „Stell dich auf deine Füße Menschenkind“

Jul 8, 2024

Gedanken zum 14. Sonntag i.J. (B) am 7.7.2024

Lesung aus dem Buch Ezéchiel (Ez 1,28b – 2,5)

In jenen Tagen, schaute ich das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des Herrn. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht.

Da hörte ich die Stimme eines Redenden. Er sagte zu mir: Menschensohn, stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden. Da kam Geist in mich, als er zu mir redete, und er stellte mich auf meine Füße.

Und ich hörte den, der mit mir redete. Er sagte zu mir: Menschensohn, ich sende dich zu den Söhnen Israels, zu abtrünnigen Völkern, die von mir abtrünnig wurden.

Sie und ihre Väter sind von mir abgefallen, bis zum heutigen Tag. Es sind Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen.

Zu ihnen sende ich dich. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr. Sie aber: Mögen sie hören oder es lassen  — denn sie sind ein Haus der Widerspenstigkeit —, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war.

Gedanken:

In unserem Sprachgebrauch verwenden wir viele Redensarten und Sprichwörter, die einen biblischen Ursprung haben. Denken Sie nur an „Jemandem die Leviten lesen“ oder „von Pontius zu Pilatus gehen“ oder auch „Einen Sündenbock suchen“ oder „Aus der Taufe heben“ und „eine Hiobsbotschaft bekommen“. Und da gibt es noch viele andere mehr. Heute hören wir in den zwei Schriftstellen auch 2 Redewendungen, denen wir auch im nicht-kirchlichen Bereich immer wieder begegnen

„Der Prophet im eigenen Lande gilt nicht viel“ – so haben wir sinngemäß gerade im Evangelium gehört. Und in der heutigen Lesung aus dem Buch Ezechiel ist der zentrale Satz „Stell dich auf deine Füße“. Ich möchte gerne ein wenig bei dem Text der Lesung bleiben:

Jetzt stell dich endlich einmal auf deine Füße“ diese Redewendung verwenden wir in unserem ganz normalen Alltag dann, wenn wir jemanden auffordern sich zu behaupten, und ermutigen zu seiner Meinung zu stehen. Wir verwenden diese Redensart dann, wenn wir merken, dass jemand dabei ist klein bei zu geben, sich von jemand anderem quasi über den Tisch ziehen zu lassen und Gefahr läuft sich selbst und seiner Überzeugung untreu zu werden. Jetzt stell dich endlich einmal auf deine Hinterfüße – so heißt es umgangssprachlich auch – hat viel zu tun mit sich wehren, protestieren, und aufbegehren und sich nicht zu unterwerfen und klein zu machen.

Schauen wir gemeinsam noch einmal hin auf diesen großartigen Text der Lesung aus dem Buch Ezechiel. Was passiert dort eigentlich genau? Der Prophet Ezechiel hat eine Vision, erlebt eine Erscheinung Gottes. Wie reagiert er? Ganz spontan wirft er sich auf die Erde mit dem Gesicht zum Boden. Aber Gott lässt das nicht gelten. Stelle dich auf die Füße Menschenkind, ich will mit dir reden, fordert er Ezechiel auf. Und durch diese Anrede wird er aufgerichtet und aufgestellt und dann steht er da und zwar nicht irgendwie, sondern geisterfüllt.

Nochmals im Zeitraffer – „quasi zum Mitschreiben“: zuerst wirft sich Ezechiel zu Boden, demütig und sich klein machend – fast wie aus einem Reflex – und Gott gefällt das gar nicht, er ist nicht bereit mit ihm der sich ihm unterwerfen will, zu reden. Erst als Gott Ezechiel auffordert aufzustehen und sich auf seine Füße zu stellen, erst dann geht die Geschichte weiter.

Welch unglaublich großartigen Gott haben wir!!! Wenn Gott mit dem Menschen redet, wenn er ihm einen Auftrag gibt, dann auf Augenhöhe, als Partner von Angesicht zu Angesicht. Der Mensch muss sich nicht niederwerfen vor Gott, er muss sich ihm auch nicht unterwerfen – nein ganz im Gegenteil – Gott will den Menschen groß machen will mit ihm von Angesicht zu Angesicht sprechen und ihn führen und leiten.

Für Gott sind wir Menschen ja Ebenbilder Gottes und mit einem Ebenbild kann und will Gott nicht reden und gleichsam „verhandeln“ und ihn beauftragen, wenn sich dieser Mensch klein macht, duckt und den Kopf einzieht – Gott will, dass Ezechiel aufsteht, sich auf seine Füße stellt und so seinen Auftrag als erhobener Mensch entgegennimmt. Gott nimmt den Menschen ernst, richtet ihn auf und macht ihn groß. Er will uns immer wieder aufs Neue von unserem Wert überzeugen.

Vielleicht sind einige von uns noch mit einem Gottesbild groß geworden und auch so erzogen worden, dass es besonders fromm und gar heilig ist sich selbst zu demütigen und klein zu machen. Auf den Knien auf dem Kirchenboden nach vorne zum Kreuz zu rutschen war früher ein immer wieder geübtes Ritual zur Buße und hat uns das Sprichwort vom: „zu Kreuze kriechen“ beschert.

Mit Gott in einer Partnerschaft auf Augenhöhe zu stehen, ein Ebenbild Gottes zu sein, dieser Gedanke ist einzigartig in der Familie der großen Religionen – und ein gewaltiger Unterschied zwischen unserer Religion und beispielsweise dem Islam – wo das Programm und das Gottesbild ja schon im Namen enthalten ist. Islam heißt ja eben nichts Anderes als Unterwerfung.

Was ist aber die Konsequenz so einer tollen Partnerschaft mit Gott, so wie sie unsere Religion verkündet?  Wir könnten da an dieser Stelle auch stehen bleiben und sagen „Super, dass wir so einen Gott haben – das genieße ich in vollen Zügen.“ Naja ganz so leicht ist es nicht ….

Gott traut uns etwas zu, er gibt uns Aufgaben, er beruft uns und er gibt uns eine gewaltige Zusage „Du Mensch bis mein Ebenbild, ein Ebenbild Gottes“. Aber als Konsequenz sagt er auch: „Und jetzt mach etwas daraus“. Auf gut Wienerisch würde er wohl sagen : „Jetzt steh auf und tua was“. Gott mutet uns als Konsequenz dieser Partnerschaft auf Augenhöhe eine Eigenverantwortung für unser Leben und unsere Entscheidungen zu.  Lebe deine Berufung! Fürchte dich nicht, sei nicht feig und setze das um, wozu ich dich gesandt habe. Auch das kommt in der Geschichte von Ezechiel sehr deutlich zum Ausdruck. Und das gilt genauso auch für uns: Wer mit Gott in einer Partnerschaft steht, hat den tollsten und stärksten Partner den man sich vorstellen kann, aber er ist für sein oder ihr Tun und Lassen selber verantwortlich und kann diese Verantwortung nicht auf Gott abschieben.

Und das ist – ich denke, das ist wichtig zu betonen – keine Frage des Alters. Beides – also sowohl die Zusage, „Du bist mein Ebenbild“ und jetzt stell dich in diesem Bewusstsein auf deine Füße, Menschenkind, voller Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen – als auch die Konsequenz daraus „Tu was – Du bist für dein Tun und Lassen selber verantwortlich“ gilt genauso für Menschen, die am Beginn ihres Erwachsenenlebens stehen, wie auch für ältere oder ganz alte Menschen. Jedem und jeder auf seine und ihre ganz besondere Art und Weise im Rahmen seiner und ihrer Möglichkeiten.

Gott sagte zu Ezechiel „Stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden. Dann stellte er Ezechiel auf seine Füße, redete mit ihm und gab ihm seinen Auftrag und seine Sendung.

Angenommen, in der Geschichte aus dem Buch Ezechiel würde es nicht um Ezechiel gehen, sondern um Sie – um Dich, ganz persönlich. Dann stellt er dich auf deine Füße, er redet mit dir auf Augenhöhe und er gibt dir deinen Auftrag und deine Sendung. Was würde Gott wohl zu dir sagen, nachdem er dich auf die Füße gestellt hat?

Gott ist dein Partner, du bist sein Ebenbild – er will für dich ein Leben in Fülle. So darfst und kannst du eigenverantwortlich dein Leben meistern.

© Alexander Kaiser