Gedanken zum 16.Sonntag i.J. (A) am 22. und 23.Juli 2023

Evangelium – Mt 13,24 – 30

In jener Zeit erzählte Jesus der Menge folgendes Gleichnis:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr,    hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!

Gedanken:

Wenn man in diesen Wochen in den Sonntagsgottesdienst geht, und die Evangelien hört, dann könnte man sich das eigentlich auch fast als Einführung in die Landwirtschaft anrechnen lassen. Wir bekommen jede Woche Geschichten zu hören, die großteils aus dem Bereich der Landwirtschaft stammen. Letzte Woche das Gleichnis vom Sämann und den verschiedenen Bodentypen, heute das Gleichnis vom Sämann und dem Unkraut. In der Langfassung würden wir auch noch ein Gleichnis vom Senfkorn hören und ein Gleichnis vom Sauerteig. Und nächste Woche – ich warne Sie gleich vor – steht dann das Gleichnis vom Schatz im Acker und vom Fischernetz auf dem Programm. Alles Bereiche, die jetzt nicht unbedingt sehr viel mit dem zu tun haben, was unseren Alltag ausmacht, lauter Bereiche und Lebenswelten, zu denen insbesondere wir als Städter keinen wirklichen Zugang mehr haben. Jesus hat sich aber natürlich ganz bewusst in diesen Bildern und mit diesen Gleichnissen an seine ZuhörerInnen gewandt, weil er sie damit in ihrem Alltag und ihrer Lebenswelt direkt abgeholt und angesprochen hat und damit auch die Botschaft, die er vermitteln wollte, für die Menschen leicht oder sagen wir leichter verständlich und fassbar war. Jesus hat mehr oder weniger in der Sprache der Menschen gesprochen, die er erreichen wollte.

Wie würde Jesus das Gleichnis aus dem heutigen Evangelium wohl erzählen, wenn er heute im Jahr 2023 leben würde und sich an uns wenden würde. Wie könnte sich das hier in Wien wohl abspielen? Welche Geschichte würde uns Jesus erzählen? Die Geschichte könnte sich vielleicht so abspielen:

In dieser Zeit versammelte Jesus eine große Menschenmenge von mehr als 50.000 Wienerinnen und Wienern im Praterstadion. Das Stadion war bis auf den letzten Platz gefüllt, unten am Rasen ist eine große Bühne aufgebaut und daneben mehrere riesige Bildschirme auf denen die Rede von Jesus so übertragen wird, dass es die Menschen selbst auf dem 2. und 3. Rang ganz oben auch noch gut mitbekommen. Jesus betritt die Bühne und obwohl so viele Menschen versammelt sind, ist es mucksmäuschen still, denn die Menschen merken sofort, dieser Mann hat etwas zu sagen, er hat eine Botschaft und eine Ausstrahlung.

Und Jesus beginnt zu sprechen und sagt: Es war einmal ein ganz typischer Wiener oder eine typische Wienerin, also jemand von euch und der hatte eine gute Idee, für ein neues Produkt und so gründete er ein Unternehmen. Mit viel Fleiß und großem Einsatz begann er das Unternehmen aufzubauen, das Büro einzurichten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzustellen und alle Vorbereitungen dafür zu treffen, dass die Sache ein Erfolg wird. Das Geschäft begann zu wachsen und zu blühen und der Mann freute sich über seinen Erfolg und das Wachstum seines Unternehmens. Nach einiger Zeit blies diesem Mann aber der erste Gegenwind entgegen, Konkurrenten begannen ein Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, das so ähnlich ausschaute wie seines, das aber viel schlechter war und noch dazu für die Umwelt schädlicher. Und so wurden der Erfolg und das Wachstum seines Unternehmens eingebremst. Daraufhin war dieser typische Wiener verzweifelt, er begann zu jammern und begann sich zu beschweren, etwas was Wienerinnen und Wiener so richtig gut können, und er kontaktierte seinen Unternehmensberater und sagte zu ihm: Meine Konkurrenten versuchen mich mit ihren Produkten in meinem Wachstum zu bremsen. Ich schlage vor, dass wir gegen sie mit aller Härte vorgehen und dass wir versuchen sie in den Ruin zu treiben und zu vernichten. Erarbeiten Sie mir bitte eine Strategie wie ich meine Konkurrenten am besten möglichst rasch loswerden kann, denn die bieten viel billigere und auch schlechtere Ware an als ich. Der Unternehmensberater aber sagte: nein, das machen wir sicher nicht. Unser Produkt ist gut, wir stehen dahinter und wir werden es weiterentwickeln und pflegen und es noch besser und nützlicher machen. Am Ende dann werden die Kunden entscheiden und – so sagte der Unternehmensberater – du wirst sehen, die Kunden werden sich langfristig für Qualität und Nachhaltigkeit entscheiden. Und wer weiß, vielleicht können wir von unseren Konkurrenten ja auch noch etwas lernen.

Der Wiener Unternehmer ließ sich überzeugen und stimmte zu. Und Jesus schloss mit den Worten: „Wer Ohren hat, der höre“.

Die vielen Menschen im Praterstadion waren zwar von der Geschichte die Jesus gerade erzählt hatte, beeindruckt, aber sie schauten doch großteils etwas verwirrt und ungläubig, das sie es in all den Jahren gewohnt waren, dass man sofort und mit aller Härte reagiert, wenn einem etwas in die Quere kommt. Sie waren es gewohnt, dass das Wachsen um jeden Preis und das Wachstum der Wirtschaft, der Unternehmen und das immer mehr und immer mehr, einfach völlig normal ist. Jesus merkte die Verwirrung und die Unruhe bei den vielen Menschen und so begann er wieder zu sprechen und sagte:

Ich erkläre euch, was ich euch mit dieser Geschichte vom Wiener Unternehmer lehren möchte:

  1. Ihr seid es gewohnt, dass ihr wann immer etwas Unvorhergesehenes und Unerwünschtes passiert, sofort reagiert. Mit anderen Worten – wann immer ein Reiz kommt, setzt ihr sofort eine Reaktion auf diesen Reiz. Ich aber sage euch, besser ist es, zwischen Reiz und Reaktion einen Zwischenraum zu lassen, eine Nachdenkpause einzulegen und nicht in der allerersten Emotion sofort zu reagieren. Und Jesus sagte weiter, ihr kennt das doch aus eurem Leben, ohne diese Pause zwischen Reiz und Reaktion schaukeln sich Dinge doch meistens sehr rasch auf und eskalieren. Denkt an Streitigkeiten in euren Familien oder unter Kollegen oder schaut euch die Gewaltspirale in der Welt an. Die Menschen, die Jesus im Praterstadion zuhörten, fühlten sich ertappt, denn jede und jeder hatte sofort eine Situation vor Augen, wo es 100x gscheiter gewesen wäre, einmal darüber zu schlafen, als sofort in der Emotion zu reagieren. Jesus merkte das und schmunzelte und sagte, „Übrigens, diese Erkenntnis, das man am Reiz selber, nichts ändern kann, aber dass zwischen Reiz und Reaktion ein Raum liegt und dass diese Möglichkeit diesen Raum auszudehnen, den Menschen vom Tier unterscheidet stammt gar nicht von mir, sondern vom berühmten Psychologen Viktor Frankl und einem Kollegen Stephen Covey. Und – so fuhr Jesus fort – in dieser Reaktion liegt die Freiheit des Menschen, die Freiheit die Gott jedem Menschen geschenkt hat. Es liegt also an jedem von uns selbst.“
  2. Und Jesus sagte zu den vielen Menschen im Praterstadion: Noch etwas Zweites wollte ich euch mit der Geschichte zeigen. Neues Wissen entsteht immer dann, wenn zwei Gegensätze aufeinandertreffen. So wie in dieser Geschichte der Wiener Unternehmer auch von seinem Konkurrenten etwas lernen kann – und natürlich auch umgekehrt – so ist es auch in eurem Leben. Immer dann, wenn ihr auf etwas trefft, was so völlig anderes und völlig konträr zu dem ist, was ihr gewohnt seid, ist das auch eine Einladung und eine Möglichkeit, die eigene Position nachzuschärfen und sich so weiterzuentwickeln. Denn immer nur mehr vom Selben bringt uns auf Dauer auch nicht wirklich weiter. Und wieder schmunzelte Jesus und sagte „auch das ist keine Erfindung von mir, sondern das kennt die Wissenschaft schon seit langer, langer Zeit. Aus einer These und einer Antithese entsteht – wenn es gut bearbeitet wird – im Idealfall eine Synthese, also etwas Neues, was weder das eine noch das andere ist.
  3. Ein letztes noch wollte ich euch mit meiner Geschichte zeigen, sagte Jesus. Wachstum ist kein Selbstzweck, das „immer mehr“, „immer größer“ und „immer schneller“, das wir alle seit Jahrzehnten gewohnt sind und wie wir erzogen wurden, das sollen und dürfen wir gerne hinterfragen und verändern. So wie es in der Geschichte dem Wiener Unternehmer guttun wird, dass er nicht grenzenlos wächst, sondern auch Konkurrenten hat, so ist es auch bei uns. Gelungenes Leben ist ein Leben im Gleichgewicht und nicht ein Leben in ständigem Wachstum. Und Jesus brachte – obwohl er mitten in der Stadt zu lauter Wienerinnen und Wienern sprach – nun doch noch einen kleinen Vergleich aus der Natur und sagte. Im Weinbau wird beim Rebschnitt darauf geachtet, ein perfektes Gleichgewicht zwischen Wachstum der Reben, Ertrag an Trauben und Qualität herzustellen. Dieses Gleichgewicht nennt man auch ´physiologisches Gleichgewicht`. Damit kann man auch eine optimale Verteilung der neuen Triebe herbeiführen, welche sich in den nächsten Vegetationsphasen positiv auswirkt.

Die vielen Menschen im Praterstadion waren zufrieden, sie erhoben sich von ihren Plätzen und applaudierten Jesus, dann gingen sie inspiriert nach Hause und am Heimweg reflektierten sie im Stillen und viele dachten sich, diese drei Dinge, die uns Jesus da gerade ausgelegt hat, die kann ich auch gut in meinem eigenen Leben einsetzen und sie begannen Pläne zu schmieden wie sie das machen werden – und sie merkten rasch, dass Jesus will, dass es uns Menschen gut geht und dass wir uns gut entwickeln und entfalten hin zu einem Leben in Fülle.

Auch Jesus war zufrieden und verließ das Praterstadion und wer weiß, vielleicht hat Jesus, weil er ja nicht nur wollte, dass die Menschen zu denen er predigte ein Leben in Fülle führen sollen, sondern auch er selbst es sich als Mensch einmal gut gehen lassen darf, am Heimweg sogar noch einen Abstecher ins Schweizerhaus gemacht 😉

(c) Alexander Kaiser