Gedanken zum 19.Sonntag i.J. (B)
Ich kann nicht mehr! Ich mag nicht mehr! Ich habe mich total verrannt und alles falsch gemacht. Mir ist alles zuviel! Ich bin verzweifelt und am Ende!
Vielleicht kennen Sie Menschen in Ihrer Familie, in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, die so fühlen und denken, oder vielleicht haben Sie schon selber solch eine Phase tiefster Verzweiflung erlebt und durchgemacht. Man will da nur noch eines: Ruhe und oftmals auch den Tod.
Elija, von dem wir in der heutigen Lesung gehört haben, ist es sicher genauso gegangen. Er hat sich leidenschaftlich und voller Überzeugung für Gott eingesetzt und —- er hat es dabei maßlos, aber völlig maßlos übertrieben. Denn was uns die heutige Lesung verschweigt, wird in der Bibel schonungslos berichtet, Elija hat in seinem leidenschaftlichen Kampf für Gott 450 Baalspriester getötet oder töten lassen.
Elija hat sich in seinem Eifer, ja in seinem Fanatismus völlig verrannt, er erkennt das auch („Nimm mein Leben, ich bin nicht besser als meine Väter“), er weiss nicht mehr weiter, und will jetzt aufgeben und einfach nur mehr alles hinter sich lassen und sterben.
Heute würden wir sagen, Elija leidet an einem ganz schweren, akuten und massiven Burnout. Ein Burnout bedingt dadurch, etwas völlig falsch gemacht zu haben, und keinen Ausweg zu sehen.
In der Bibel wird uns nun sehr bewegend geschildert, wie Elija geholfen wird, aus seiner Verzweiflung und seinem tiefen Frust aufzustehen.
- Elija wird berührt (angerührt)
- Elija bekommt Brot
- Elija bekommt Wasser
Und dieses Prozedere folgt dann noch ein 2.Mal, ergänzt um die Anweisung „Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich“.
Und jetzt erst kann Elija sich auf den Weg machen und gestärkt weitergehen, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb. Und erst dort entdeckt er dann seinen wirklichen Weg, seine wahre Aufgabe und er erfährt Gott als ein ganz sanftes, leises, zärtliches Säuseln im Wind.
Elija ist also wieder auf der Spur – er ist diesmal auf der richtigen Spur, am richtigen Weg, auf einem Weg, der ihn nicht ausbrennen und verzweifeln lässt.
Elija hat im 9.Jahrhundert v.Chr. gelebt, die Geschichte ist also fast 3.000 Jahre alt – und doch ist sie – wie ich meine – ganz, ganz aktuell.
Viele Menschen erleben eine solche Lebenskrise, wie sie Elija erlebt hat. Ob der Jugendliche, der den Scheidungskrieg seiner Eltern miterleben muss. Oder die alleinerziehende Mutter, der arbeitslose Familienvater. Menschen, die konfrontiert werden mit schwerer Krankheit, mit einer zerbrochenen Freundschaft, mit dem Verlust des Partners. Menschen, die an der Krise in der Lebensmitte leiden oder die zu früh in den Ruhe¬stand geschickt werden. Sie erfahren ihre Grenzen, sie fühlen sich am Ende, am Ende ihrer Kräfte, am Ende ihrer Weisheit.
Was können wir für die heutige Zeit für unser heutiges Leben aus dieser Bibelstelle mitnehmen?
Schauen wir nochmal zurück, wie es gelungen ist, dass Elija wieder aufgestanden ist und in seine Spur – in seine richtige Spur gefunden hat:
- Elija wird berührt (angerührt)
- Elija bekommt Brot
- Elija bekommt Wasser
Diese drei Schritte sind auch für uns ganz hilfreich, wenn wir nicht mehr weiterwissen, oder gar in ein Burnout, in eine tiefe Verzweiflung gefallen sind, weil etwas völlig verkehrt gelaufen ist und wir uns verrannt haben.
- Berührung: Sich berühren lassen: da ist nicht nur die liebevolle, aufmunternde Berührung eines Menschen gemeint, sondern da geht es vor allem um die Frage: „Was berührt mich in meinem tiefsten Inneren wirklich, wonach sehne ich mich, was ist meine tiefste Sehnsucht?“ Was will ich wirklich wirklich?
- Brot: steht für das, worin ich stark und gut bin, das was mich stark macht. Auf was kann ich bei mir selber bauen, was sind meine Stärken, meine Fähigkeiten und Talente? Achte ich darauf, dass ich immer wieder auf das zurückgreife, was ich gut kann, wo ich meine Stärken habe?
- Wasser: Was tut mir gut? Was erfrischt mich, macht mich lebendig und gibt mir Kraft und Energie? Für den einen wird das die Natur sein. Für die andere vielleicht ein tolles Musikstück. Wieder für einen anderen vielleicht der regelmäßige Sport usw. Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns auch regelmäßig mit dem belohnen, was uns Kraft und Energie gibt.
Die eigene Sehnsucht ernst nehmen und sich berühren lassen – sich die eigenen Stärken bewusstmachen – sich immer wieder auch das gönnen, was mir guttut und mich lebendig macht.
Gott will auch heute für jede und jeden von uns, dass er seinen und ihren richtigen Weg geht und in eine erfüllende Spur kommt und er ruft auch jedem und jeder von uns zu: „Lass dich berühren, nimm Brot und Wasser; Steh auf und iss – sonst wird der Weg für dich zu weit“
(c) Dr. Alexander Kaiser