Gedanken zum 4.Adventsonntag 2023 (B) am 24.Dezember zum Thema Transformation und Veränderung

Evangelium Lk 1, 26–38
In jener Zeit wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Siehe, auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

Gedanken
(Vor)-gestern in der Nacht war es endlich soweit. Exakt am 22.Dezember um 4.27 Uhr in der Früh war die Wintersonnenwende. Die Sonne steht dann so flach über dem Horizont wie sonst nie im Jahr. Sie geht ganz spät auf und ganz früh wieder unter. Der kürzeste Tag und die längste Nacht. Wenn das Wetter auch noch schlecht ist, hat man fast das Gefühl, dass es gar nicht so richtig hell wird den ganzen Tag. Aber – von nun an, geht es wieder bergauf. Es wird jeden Tag wieder ein bisschen später am Abend dunkel und ein bisschen früher am Morgen hell. Die Tage werden länger. Zuerst merkt man kaum etwas davon, weil es nur ganz wenige Sekunden und dann Minuten sind. Aber bereits Ende Jänner ist es dann schon wieder mehr als 1,5 Stunden länger hell als heute.
Ganz ehrlich, ich habe nie verstanden warum man die Sonnenwende im Sommer so pompös feiert, mit Sonnwendfeiern und Sonnwendfeuern. Viel stimmiger wäre es doch, die Wintersonnenwende zu feiern und zu begehen und dabei sich zu freuen und zu danken, dass wir die lange Dunkelheit gut überstanden haben und es nun wieder bergauf geht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Menschen brauchen das Licht und die Wärme um aufleben zu können und damit es ihnen gut geht – dazu gibt es auch ganz viele wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass in Gegenden wo es finsterer ist und kälter, die Menschen viel stärker von psychischen Problemen, Stimmungsschwankungen und Depressionen betroffen sind, als in sonnigen Regionen.

Licht lässt uns nicht nur aufleben, es gibt uns auch Geborgenheit und Sicherheit, die Dunkelheit macht uns tendenziell Angst. Denken Sie nur an kleine Kinder (oder auch größere 😉 ) die gerne ein kleines Nachtlicht irgendwo im Zimmer zu haben in der Nacht, damit es nicht völlig dunkel ist.

Wann Jesus von Nazareth genau geboren wurde, ist eigentlich nicht überliefert. Die Evangelisten machen dazu keine Angaben und die ersten Christen haben auch kein Weihnachten gefeiert. Wichtiger waren ihnen damals Tod und Auferstehung Christi. Das genaue Geburtsjahr zu rekonstruieren ist schwierig. Noch schwieriger ist es, sich auf Monat und Tag festzulegen. Viele vermuten deshalb, dass der Termin unseres Weihnachtsfestes tatsächlich eng verbunden mit der Wintersonnenwende ist und dass der Termin von Kaiser Konstantin auf den Tag des Festes „Sol invictus“ gelegt worden ist, mit dem der römische Sonnengott gefeiert wurde. Das christliche Weihnachten hat damit das heidnische Sonnenfest überschrieben, den Sonnenkult umgedeutet: Jetzt war es Jesus, derjenige, der das Licht in die Welt brachte.
Ob das wirklich so stimmt, werden wir wohl nie erfahren, die Symbolik die dahintersteckt, die scheint aber sehr stimmig und sinnvoll zu sein und damit möchte ich mich noch ein wenig beschäftigen.

Die Sonnenwende ist in vielen Kulturen als eine Zeit des Übergangs und damit auch der Transformation bekannt. Transformation und Übergang bedeuten, es entsteht etwas Neues.
Aber wie entsteht Neues eigentlich? Welcher Prozess steckt dahinter, damit etwas Neues entstehen kann? Heute würde man vielleicht auch sagen, damit Innovation entstehen kann?

Ich denke, das ist immer ein Dreischritt, der sich da ereignet und abspielt: Altes loslassen und beenden – die Angst und das Unbehagen vor dem Neuen aushalten – sich an das Neue gewöhnen und das Neue annehmen und (im besten Fall) genießen.
Der erste Schritt „Altes loslassen und beenden“ ist dabei für ganz viele von uns der allerschwierigste Schritt. Besonders uns hier in Wien sind Sätze wie „des woa scho immer so“, oder „nur nix ändern, wos Besseres kummt net noch“ oder auch „des Neiche wird nie funktionieren“ gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen und machen damit Transformation und Veränderungen extrem herausfordernd. Das gilt für uns als Kirche genauso wie in unseren beruflichen und privaten Umfeldern. In Transformation steckt ja das lateinische Wort transformare und das heißt nichts anderes als Veränderung. Verändern kann sich aber nur dann etwas, wenn Bestehendes beendet wird.
Der 2. Schritt jeder Transformation ist ganz normal und ganz typisch – es ist die Angst. Das Unbehagen, dass das Alte und Gewohnte nicht mehr funktioniert und nicht mehr da ist, dass mir das Neue aber noch ungewohnt, unheimlich ist und es sich so anders und fremd anfühlt.
Der 3. Schritt dann, dass wir das Neue akzeptieren, das wir uns daran gewöhnt haben, dass wir es sogar schätzen und lieben lernen. Trans-formare als in eine andere, in eine neue Form gebracht haben. Neues ist entstanden.
Kennen Sie diesen Dreischritt aus Ihrem Leben? Kennen Sie Veränderungen die – und das braucht seine Zeit – dann letztlich gut abgelaufen sind?

Wenn wir uns das heutige Evangelium anschauen – die uns so gut bekannte Geschichte der Verkündigung Jesu – dann erkennen wir in der Person Mariens, exakt diesen Dreischritt von Transformation wieder.
Maria war zu diesem Zeitpunkt eine junge Frau, ja eigentlich ein junges Mädchen und für sie war es sicher sonnenklar, dass sie ein ganz normales Leben führen wird, dass sie ihren Josef dann demnächst einmal heiraten wird und dann eben die Dinge ihren Lauf nehmen. Diese Realität loszulassen fällt ihr auch gar nicht so leicht – und so verhandelt sie ja dann sogar mit dem Engel, wenn sie zu ihm sagt „ja, wie soll denn das überhaupt funktionieren und gehen?“ – da könnte man fast meinen, dass für einen kurzen Moment sogar so etwas wie der skeptische Wiener in ihr aufblitzt ;-)“.
Dann die Angst von Maria – die Angst, ob sie das überhaupt kann, die Unsicherheit vor dem Neuen und dieser großen Aufgabe. Und da kommt dann die so unendlich wohltuende Zusage „Fürchte dich nicht Maria“ vom Engel. Das Fürchte dich nicht, du kannst dich da drauf einlassen. Fürchte dich nicht deinen alten Lebensplan loszulassen und dich auf den neuen Plan – auf den Plan Gottes einzulassen. Ich denke, man spürt in diesem Evangelium direkt wie durch dieses „Fürchte dich nicht“, Maria mit dem Engel Gottes erst so richtig in Resonanz geht, wie da eine Verbindung und ein Vertrauen zueinander entsteht.
Und dann die dritte Phase der Transformation – das Ja Mariens. Für Gott ist nichts unmöglich – mir geschehe also wie du es gesagt hast. Und erst durch dieses Ja, durch die Annahme und durch die Annahme des Neuen ist die Veränderung und die Trans-Formation im wahren Sinn des Wortes auch erst Wirklichkeit. Trans-formare: eine ganz neue Form ist da.

Alles Neue beginnt immer ganz am Anfang mit einer Sehnsucht, mit einer Sehnsucht nach Veränderung, nach Transformation, nach Entwicklung. Die Schriftstellerin Nelly Sachs hat das einmal in einen wunderschönen kurzen Text einmal so formuliert:

Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not: Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärke auf.
Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, Dich zu suchen, und lass sie damit enden, Dich gefunden zu haben.

Vielleicht wollen wir die kommende Weinachtstage auch dazu verwenden, einmal in Stille für uns nachzudenken.

  • Wo habe ich eine Sehnsucht in mir, mich von Gott verändern zu lassen?
  • Welche Sehnsucht nach Veränderung und Transformation gibt es bei mir?
  • Was muss ich dazu erst loslassen und beenden, damit etwas Neues entstehen kann?

Wenn wir uns von Gott verändern lassen, werden wir der Mensch werden, als der wir gedacht sind. Gott sucht auch uns. Er kommt uns entgegen. Seit Gott ein Mensch wurde, gilt auch für uns die Aufforderung: Mach’s wie Gott, und werde Mensch.

(c) Alexander Kaiser