Gedanken zum Pallottifest am 22.1.2022 (Evangelium: Lk 10, 1-9)

Evangelium Lk 10,1-9: Die Aussendung der zweiundsiebzig Jünger

Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.

Predigt

27.677 Neuinfektionen, 7-Tage Inzidenz 1.438,90, Reproduktionsfaktor liegt bei 1,46. Das sind die tagesaktuellen Corona-Zahlen.

Seit fast zwei Jahren ist unser Alltag ziemlich verändert und schon in vielen Facetten gravierend anders als davor. Corona bestimmt unseren Alltag, unser Leben, unsere Entscheidungen. Das zeigt sich auch ganz massiv in den Medien. Egal ob wir Radio hören, Fernsehen oder in die diversen Zeitungen schauen, die allerersten Meldungen – oft schon zu Tagesbeginn – sind meistens Zahlen. Wie viele Corona Infektionen gibt es aktuell, was ist die aktuelle Inzidenz, wie hoch ist der Reproduktionsfaktor und vieles mehr. Und all diese Zahlen sagen vor allem eines aus: die ganze Sache – das Coronavirus – ist ziemlich ansteckend – und das ist ja auch der Grund, warum wir heute mit Masken im Gottesdienst so dasitzen, wie vor 2 Jahren maximal ein paar übervorsichtige Chinesen dagesessen wären – und wenn wir ganz ehrlich sind, mittlerweile ist es auch für uns fast normal. Wir haben gelernt wie wir uns vor der Ansteckung bestmöglich schützen können. Und ganz nebenbei haben viele von uns in den letzten 2 Jahren auch noch einiges an Mathematik gelernt. Jetzt verstehen wir endlich was exponentielles Wachstum ist und wie sich exponentielles Wachstum von linearem Wachstum unterscheidet.

Man könnte es auch so zusammenfassen: Charakteristisch für Corona ist, es ist ansteckend, verbreitet sich sehr rasch und jeder kann es bekommen, unabhängig davon wer er oder sie ist, egal ob alt oder jung, reich oder arm, gebildet oder weniger gebildet. Ganz normale Menschen wie du und ich.

Sie werden sich vermutlich jetzt schon fragen, was hat Corona mit Vinzenz Pallotti und mit dem Evangelium zu tun, das wir zuerst gerade gehört haben? Ich denke, sehr viel!

Beginnen wir mit dem Evangelium: Wir hören da die Geschichte von der Aussendung der 72 Jünger. Da heißt es „Danach suchte der Herr 72 andere aus“. Was war davor? Davor war die Auswahl der 12 Jünger. Also einer – nämlich Jesus – sucht 12 aus und dann werden 72 quasi – im positiven Sinn – angesteckt und ausgewählt. Von 1 auf 12 und dann auf 72 – mit diesem Reproduktionsfaktor kann nicht einmal Corona wirklich mithalten 😉

Und wer waren diese Jünger und wir dürfen wohl davon ausgehen, dass es auch Jüngerinnen waren. Wer waren die 12 und dann die 72? Das waren ganz „stinknormale“ Menschen, Fischer Bauern, Handwerker, usw. Da waren keine Stars dabei, da waren keine scheinbar außergewöhnlichen Menschen dabei, da waren keine Gurus dabei – das waren normale Menschen, Menschen wie du und ich. All die 72 hatten einen ganz klaren Auftrag, eine Mission. Was war diese Mission? Sie sollen zu den Menschen die sie treffen sagen „Friede diesem Haus“, sie sollen die Menschen heilen und sie sollen verkünden „Das Reich Gottes ist nahe“. –> Und das Ganze wirkt!!  Ein paar Verse später lesen wir im Evangelium: Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen.

Zuerst war es einer, dann waren es 12 und dann waren es 72. Es waren ganz normale Menschen, wie du und ich – nichts Außergewöhnliches – und sie hatten eine klare Mission, eine klare Intention. Das reicht!!  Das reicht aus! Das wirkt um viele Menschen anzustecken um sie zu heilen, in dem Sinn das sie wieder ganz werden und dass sie Frieden mit sich und den anderen haben.

Schauen wir zu Vinzenz Pallotti: In den Biographien über Pallotti ist zu lesen: „Vinzenz Pallotti merkte man als Kind an, dass er zwar ein anständiger, aber nicht besonders begabter Mensch sei. Aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung konnte er nicht Kapuziner werden, wie er ursprünglich wollte. Zeitgenossen beschrieben ihn folgendermaßen: er war klein, leicht gebeugt, mager und bleich, mit Glatze und einer hohen Stirn, dunkelblaue Augen. Er pflegte immer schnell zu gehen, war meist höflich und achtete darauf, niemandem auf die Nerven zu gehen. Also, Vinzenz Pallotti war weder besonders begabt oder klug, er war auch nicht besonders fit und gesund und offenbar war er auch nicht wirklich besonders schön und attraktiv. Ich denke, da können wir alle hier, locker mithalten mit Pallotti, was diese Charakteristika betrifft, das schaffen wir auch ganz leicht. Pallotti also, ein Mensch so wie du und ich, nichts Außergewöhnliches. Wobei – der eine Satz hat mich dann schon beschäftigt – er achtete darauf niemandem auf die Nerven zu gehen 😉 … das ist glaube ich kein unwesentlicher Charakterzug und das wünschen wir uns heute auch oft!

Also, obwohl Pallotti offensichtlich nichts Außergewöhnliches war, hat er doch ganz massive Spuren hinterlassen, Auch er hat alleine begonnen, hat dann bald ein paar Gefährten angesteckt und um sich herum geschart und diese haben wieder Menschen bewegt und um sich geschart und so ist letztlich die Gemeinschaft der Unio der Pallottiner entstanden, die es ja noch heute gibt. Auch hier ist der Reproduktionsfaktor – wenn wir wieder in der Corona-Sprache bleiben – ganz beachtlich. Und auch bei Pallotti war es, ein Auftrag, eine Mission, die ihn angetrieben und gleichzeitig auch getragen hat.  Pallotti war von drei Gedanken und drei Sätzen zutiefst bewegt und inspiriert:

  • Die Liebe Christ drängt uns
  • Der Mensch ist ein Ebenbild Gottes
  • Gott ist die unendliche Liebe

Und daraus ergab sich seine Berufung und Mission: möglichst viele Menschen, egal ob Laien oder Priester, egal ob Männer oder Frauen, egal ob hoch gebildet oder einfach und praktisch veranlagt, zusammen zu führen, um die Kircher zu reformieren, die Kirche zu gestalten und um die grenzenlose Liebe Gottes allen Menschen auf der Welt weiterzugeben. Jede und jeder nach seinen und ihren Möglichkeiten.

Aber was heißt das eigentlich „Die grenzenlose Liebe Gottes an die Menschen weitergeben?“ Ich denke, das heißt zweierlei:

  1. Zum einen: Gott liebt mich bedingungslos und grenzenlos. Egal wer ich bin, was ich bin, was ich tue, oder was ich nicht tue. Bedingungslos und grenzenlos heißt eben genau das: es gibt keine Gegenbedingung für Gott, die wir einlösen müssen, damit er uns liebt. Er liebt uns einfach deshalb, weil wir ein Ebenbild von ihm sind, jeden und jede, ausnahmslos.
  2. Zum zweiten, hat diese grenzenlose Liebe Gottes auch eine ganz konkrete und logische Konsequenz: Wenn es heißt, „die Liebe Christi drängt uns“, dann drängt sie uns eben auch der Mensch zu werden, der ich sein kann, der Mensch zu werden, als der ich von Gott gedacht bin. Eben dieses Ebenbild Gottes, das ich ja bedingungslos bin, auch in die Welt zu tragen, es dort sichtbar zu machen, es zu leben und – wenn Sie so wollen, es zu ent-wickeln und es auch deshalb zu leben, weil es mir dann gut geht. Und damit kommen wir auch wieder zum Heilen aus dem Evangelium. Sie erinnern sich, die Jünger heilten die Menschen. Derjenige Mensch zu werden und als derjenige zu leben, als den mich Gott gedacht hat, das ist heilsam und heilend im wahrsten Sinn des Wortes.

Anders formuliert: Gott ist unendlich, er ist die unendliche Liebe. Wenn wir alle Ebenbild Gottes sein dürfen, dann gibt es auch unendlich viele Möglichkeiten, dieses Ebenbild zu leben, dieses Ebenbild zu sein, eben für jeden Menschen auf dieser Welt eine eigene Möglichkeit, eine besondere, eine ganz persönliche Möglichkeit der Ebenbildlichkeit Gottes. Diese ganz persönliche, ganz besondere Ebenbildlichkeit zu finden und auch zu leben, das ist unsere Mission.

Was kann das jetzt für unser Leben heißen? Das Evangelium genauso wie das Vermächtnis von Vinzenz Pallotti?

  • Jede und jeder von uns ist berufen und ausgewählt und damit auch ausgesendet, die Sache Jesu zu verbreiten, Menschen davon zu erzählen und sie damit anzustecken. Nicht umsonst gilt Vinzenz Pallotti als Begründer des sogenannten Laienapostolats, was nichts anders heißt, als dass jeder und jede Apostel und Apostelin, Jünger und Jüngerin ist, und dass es dazu keine außergewöhnliche oder besondere Begabung oder Auserwählung braucht. Das hat natürlich auch die – vielleicht unbequeme – Konsequenz, dass wir uns nicht zurücklehnen können und argumentieren, dass diesen „Job“ ein paar auserwählte Priester oder SeelsorgerInnen für uns erledigen. Nein, wir alle sind dazu berufen.
  • Um ansteckend zu sein für anderen Menschen – jetzt nicht mit dem Corona Virus, sondern mit unserem Leben – brauchen wir eine Mission. Eine Mission, eine Berufung für unser Leben. Was ist meine ganz einzigartige und persönliche Form ein Ebenbild Gottes zu sein und wie kann ich das leben und in die Welt bringen? Ansteckend werden wir für andere Menschen erst dadurch, wenn die Menschen sehen und merken, dass wir unsere Mission als Ebenbild Gottes auch leben und umsetzen! Das wird oftmals auch ein Ringen sein, ein Kampf, vielleicht auch ein Zaudern und Zweifeln. Aber Vinzenz Pallotti ist es da absolut nicht anders gegangen. Er war eben ein ganz normaler Mensch, so wie du und ich, nichts Außergewöhnliches.

Das neue Jahr ist noch sehr jung. Wie wäre es, wenn wir uns für 2022 vornehmen, viele Menschen anzustecken mit dem Versuch unsere Mission zu leben und so zu einem hohen Reproduktionsfaktor in der Sache Jesu Christi unseres beizutragen.

Gott spricht nicht nur zu Jesus, sondern zu jedem und jeder von uns: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen gefunden“ und im Sinn von Vinzenz Pallotti dürfen wir noch hinzufügen „und mach etwas aus deinem Leben und stecke damit andere an“.

(c) Alexander Kaiser