Partizipation

Bei den heurigen Wirtschaftsgesprächen des Europäischen Forums Alpbach durfte ich einen Workshop zum Thema „Bessere Entscheidungen durch Partizipation“ leiten. Es entwickelte sich bei den TeilnehmerInnen eine sehr spannende und interessante Diskussion darüber, wie Mitbeteiligung von Menschen bei Entscheidungen unterstützt werden kann und funktionieren kann. BürgerInnen einer Stadt bei der Entscheidungsfindung verstärkt miteinzubeziehen, oder MitarbeiterInnen eines Unternehmens bei der Entwicklung von innovativen Lösungen zu beteiligen oder Mitglieder einer Gemeinschaft oder eines Unternehmens bei der gemeinsamen Erstellung einer Vision zu involvieren, das sind nur drei Beispiele von vielen, wo Mitbeteiligung fast immer zu kreativen und nachhaltigen und damit auch besseren Entscheidungen führt. Meist geht es dabei auch darum, gute und passende Methoden für die Partizipation zu finden, die es ermöglichen, Menschen mit ihren Ideen, ihren Stärken und ihrer Kreativität in geeigneter Weise konstruktiv miteinzubeziehen.

Partizipation funktioniert aber – egal mit welcher Methode – nur dann, wenn der/die Einzelne bereit und offen ist, auf die Anderen zu hören, „scheinbare Macht“ abzugeben und auch loszulassen – loszulassen vom Anspruch und der Idee, alles selber machen zu wollen und alles selber entscheiden zu müssen.

Neben der besseren Qualität von Entscheidungen hat Partizipation auch noch eine zweite wichtige Konsequenz: Partizipation entlastet den/die Einzelnen.

Im Alten Testament gibt es im Buch Exodus eine Stelle, die mir sehr wichtig geworden ist.

Ex 18,13: Am folgenden Morgen setzte sich Mose, um für das Volk Recht zu sprechen. Die Leute mussten vor Mose vom Morgen bis zum Abend anstehen. Als Jitro, der Schwiegervater des Mose, sah, was er alles für das Volk zu tun hatte, sagte er: Was soll das, was du da für das Volk tust? Warum sitzt du hier allein und die vielen Leute müssen vom Morgen bis zum Abend vor dir anstehen? Mose antwortete seinem Schwiegervater: Die Leute kommen zu mir, um Gott zu befragen. Wenn sie einen Streitfall haben, kommen sie zu mir. Ich entscheide dann ihren Fall und teile ihnen die Gesetze und Weisungen Gottes mit. Da sagte der Schwiegervater zu Mose: Es ist nicht richtig, wie du das machst. So richtest du dich selbst zugrunde und auch das Volk, das bei dir ist. Das ist zu schwer für dich; allein kannst du es nicht bewältigen.

Nun hör zu, ich will dir einen Rat geben und Gott wird mit dir sein. (…) Sieh dich im ganzen Volk nach tüchtigen, gottesfürchtigen und zuverlässigen Männern (und Frauen) um, die Bestechung ablehnen. Gib dem Volk Vorsteher für je tausend, hundert, fünfzig und zehn! Sie sollen dem Volk jederzeit als Richter zur Verfügung stehen. Alle wichtigen Fälle sollen sie vor dich bringen, die leichteren sollen sie selber entscheiden. Entlaste dich und lass auch andere Verantwortung tragen! Wenn du das tust, sofern Gott zustimmt, bleibst du der Aufgabe gewachsen und die Leute hier können alle zufrieden heimgehen. Mose hörte auf seinen Schwiegervater und tat alles, was er vorschlug.

Ich denke, dass diese Stelle aus dem Buch Exodus sehr eindrücklich die zwei Vorzüge von Mitbeteiligung aufzeigt: Entlastung und bessere Entscheidungen.

Was könnte das für Ihr und mein persönliches Leben heißen? Schon bald feiern wir Weihnachten, das Fest der Menschwerdung Gottes und damit auch unserer eigenen Mensch-werdung im Sinn von ganz der Mensch zu werden, als den mich Gott gedacht hat, und bald starten wir in ein neues Kalenderjahr. Traditionell ist das eine Zeit des persönlichen Rückblicks und der Vorsätze und Pläne für die Zukunft.

Vielleicht haben Sie ja Zeit und Lust sich selbst zu fragen:

  • In welchen Situationen und Bereichen meines Lebens sagt Jitro zu mir „Das ist zu schwer für dich, alleine kannst du das nicht bewältigen, pass auf, dass du dich und andere nicht zugrunde richtest?
  • Wo möchte ich mich entlasten und auch andere Mit-Verantwortung tragen lassen?

Ich wünsche Ihnen viel Kreativität und Freude, Dinge loszulassen und abzugeben, sich zu ent-lasten und damit offen und frei(er) zu werden, für vielleicht Anderes und Neues auf dem Weg zur Menschwerdung.

 (c) Dr. Alexander Kaiser